Symphonie des Todes
zurückgedrängt, ansonsten aber wurden die neugierigen Blicke lässig ignoriert.
Zu der wunderbaren Aussicht, die man in dem sich drehenden Restaurant aus der siebzigsten Etage genießen konnte, bot eine Zwei-Mann-Kapelle dezente Hintergrundmusik.
Hätte Roarke erwartet, dass sich Eve noch zu ihnen gesellen würde, hätte er für diese Einladung bestimmt nicht diesen Ort gewählt.
Für jemanden mit Höhenangst war er halt alles andere als ideal.
Die Tischgruppe umfasste dieselben Menschen, die ein paar Abende zuvor bei ihm daheim zu Gast gewesen waren, nur dass Mick noch hinzugestoßen war. Sein Freund war allerbester Stimmung, unterhielt die anderen mit netten Anekdoten und amüsanten Märchen, und auch wenn er sein Weinglas deutlich öfter füllte, als für Roarkes Geschmack vernünftig war, konnte ihm doch niemand Vorhaltungen machen, dass er nicht genug vertrug.
»Oh, Sie wollen mir doch wohl nicht weismachen, Sie wären über Bord gesprungen und den ganzen Rest des Wegs geschwommen.« Magda drohte Mick lachend mit dem Finger. »Sie haben gesagt, es wäre Februar gewesen. Also wären Sie wohl jämmerlich erfroren.«
»Es ist so wahr, wie Sie geboren sind, meine Liebe. Die Angst, dass meine Geschäftspartner bemerken würden, dass ich über Bord gesprungen war, und mir deshalb eine Harpune in den Hintern schießen könnten, hat mich derart warm gehalten, dass ich zwar nass, aber sicher das andere Ufer erreicht habe. Kannst du dich noch daran erinnern, Roarke, als wir beide, als wir kaum alt genug waren, um uns zu rasieren, ein Schiff beim Auslaufen aus Dublin um seine illegale Whiskeyfracht erleichtert haben?«
»Dein Gedächtnis ist anscheinend wesentlich flexibler als das meine«, erwiderte der Freund, dem das Ereignis allerdings genauso deutlich in Erinnerung geblieben war.
»Ah, ich vergesse ständig, dass er inzwischen ein grundsolider Bürger ist«, meinte Mick mit einem Seufzer, zwinkerte Magda dabei jedoch fröhlich zu. »Und da kommt auch schon der Grund für diesen Wandel.«
Eve marschierte in verkratzten Stiefeln, abgewetzter Lederjacke, mit gezücktem Ausweis, den mit einem schwarzen Frack bewehrten, händeringenden Empfangschef auf den Fersen, auf die Runde zu. »Madam«, bat er ein ums andere Mal. »Ich bitte Sie, Madam …«
»Lieutenant«, schnauzte sie zurück und gab sich dabei die größte Mühe, nicht daran zu denken, dass sich der Raum, in dem sie sich befand, bewegte, und dass er vor allem in gut zweihundert Meter Höhe lag. Ihrer Meinung nach war der feste Boden viel zu weit von ihr entfernt.
Sie blieb lange genug stehen, um dem Empfangschef einen Finger in die Brust zu bohren und zu fauchen: »Und ich bitte Sie, endlich zu verschwinden, bevor ich mich gezwungen sehe, Sie festzunehmen, weil Sie als öffentliches Ärgernis gelten.«
»Meine Güte, Roarke«, hauchte Magda ehrfürchtig. »Sie ist einfach wundervoll.«
»Ja, nicht wahr?«, stimmte der Gastgeber ihr schmunzelnd zu und stand auf. »Anton«, sprach er mit leiser, jedoch so durchdringender Stimme, dass der Mann sofort die Schultern straffte und ihn fragend ansah. »Würden Sie bitte dafür sorgen, dass meine Gattin einen Stuhl und ein Gedeck gebracht bekommt?«
»Ihre Gattin?« Anton wurde kreidebleich, was bei seinem olivenfarbenen Teint nicht einfach war. »Sehr wohl, Sir. Wird sofort erledigt.«
Während er eifrig mit den Fingern schnipste, trat Eve zu Roarke und seinen Gästen an den Tisch und wandte sich dort statt der breiten Glasfront wahllos den verschiedenen Gesichtern zu. »Tut mir Leid, dass es so spät geworden ist.«
Sie erklärte dem herbeieilenden Kellner, sie bräuchte kein Gedeck, denn sie äße lediglich ein paar Happen vom Teller ihres Mannes, und nahm nach kurzem Umrücken der Stühle möglichst weit vom Fenster entfernt Platz. Da sie auf diese Weise zwischen Magdas Sohn und Carlton Mince geraten war, ging sie sicher davon aus, dass sie sich zu Tode gelangweilt hatte, bis das Essen irgendwann beendet war.
»Ich nehme an, Sie kommen direkt von der Arbeit.« Während Vince dies sagte, wandte er sich bereits wieder genüsslich seinem Vorspeisenteller zu. »Die Denkweise von Verbrechern hat mich schon immer fasziniert. Was können Sie uns über Ihren momentanen Gegenspieler verraten?«
»Dass er bisher gute Arbeit geleistet hat.«
»Aber das haben Sie eindeutig ebenfalls, sonst hätten Sie es sicher nicht so weit gebracht. Haben Sie schon irgendwelche …«, er fuchtelte mit seinen Fingern durch
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