syrenka
hatte, und Eleanors Nichte, Adeline Angeln. Angeln ! So hieß doch Peter mit Nachnamen! Und ganz zweifellos handelte es sich um den Vorfall, von dem Sylvie Atwood Hester erzählt hatte; die Tragödie, der die Kirche die Spukgerüchte zu verdanken hatte!
Hester durchforstete die Zeitung nach Eleanors Todesanzeige, und in einer Ausgabe der darauffolgenden Woche fand sie sie. Ein Gefühl wie nach einer Überdosis Koffein ließ ihr Herz schneller schlagen, und ihre Hände zitterten, als ihre Augen am Namen Marijn hängen blieben.
Eleanor Ontstaan war die liebevolle Ziehmutter eines Findelkinds unbekannter Herkunft, dem man den Namen Marijn gab und das Eleanors trauerndem Schwager Joseph und ihrer geliebten Schwester Eliza Angeln in Carver anvertraut wurde.
Als die Zeit der Entbindung kam, stellte Sarah den Floy-Schwestern ein kleines, mit Zwirn zusammengebundenes Wildblumen-Sträußchen auf den Küchentisch. Dann schlüpfte sie zur Hintertür hinaus und lief sechs Meilen Richtung Stadt, ehe die Wehen sie zur Rast zwangen. Bis zum Einbruch der Nacht hielt sie sich versteckt und biss immer wieder auf ein Stück Holz, um vor Schmerzen nicht zu schreien. Als niemand in der Nähe war, stieg sie in die sanften, kühlenden Fluten des Meeres. Dort brachte sie unter Wasser ein Mädchen zur Welt, und nur sie hörte seinen ersten gesunden Schrei. Das Kind hatte die Beine eines Menschen, war aber am ganzen Körper mit zarten Schuppen bedeckt. Sarah brachte das Mädchen an die Wasseroberfläche, wusch es und wickelte es sorgfältig in Seetang. Sie küsste seine Stirn, seine Wangen und seinen Nacken.
Nicht weit entfernt schwamm ein Kahn. Er gehörte einemHummerfischer, der seine Fallen prüfte. Sarah handelte schnell. Indem sie die Enden des Seetangs unter einen Felsen klemmte, befestigte sie das Bündel im Wasser und übergab ihre Tochter auf diese Weise ihren Gefährtinnen, damit diese sie als ihresgleichen aufzogen. Sie schlug mit den Händen auf die Wasseroberfläche, um in der Tiefe ihre Aufmerksamkeit zu wecken – bis sie stattdessen die Aufmerksamkeit des Hummerfischers zu fürchten begann. Schließlich, mit einem Kloß im Hals, den sie nicht genau bestimmen konnte, ging sie zurück an Land, um ihr neues Leben zu beginnen.
Mit einem Mal frischte der Wind auf. Innerhalb von Augenblicken tobte ein Sturm über die Bucht. Der Hummerfischer hatte große Not, seinen Kahn durch die tosenden Wellen zum Strand zu bringen. Dabei sah er, wie in der schäumenden, gurgelnden Brandung etwas nach vorn geschleudert und wieder zurückgesogen wurde, wieder und wieder. Etwas Blasses. Es schrie.
Das Kind war verletzt und trieb in einer riesigen Menge Seegras. Für den Fischer, der die Abstammung des Mädchens nicht kannte, war es ein reines Wunder, dass es nicht ertrunken war! Zahlreiche Schuppen waren von der Haut des Mädchens abgerissen, wodurch Stellen mit rötlicher, wunder Haut sichtbar waren – was der Fischer für Abschürfungen durch die Brandung hielt. Da er Junggeselle war, fiel ihm nur eins ein, was er tun konnte: Er wickelte das Mädchen in seinen Mantel und brachte es zur Witwe seines alten Freundes Olaf Ontstaan. Er wusste, dass Olaf und seine Frau sich nach dem Tod ihres Sohnes noch ein Kind gewünscht hatten. Wer wäre also besser geeignet als Eleanor, sich um das Kind zu kümmern, bis seine Eltern kamen, um es wieder zu sich zu nehmen? Sofern seine Eltern kamen,dachte er. Sofern sie nicht bei einem Schiffsunglück ums Leben gekommen waren.
Im Lauf der nächsten Wochen trockneten die restlichen Schuppen des Kindes ein und fielen ab. Eleanor war sich sicher, dass dies dem Klettenwurzelöl zu verdanken war, das sie mit Kamille vermischt hatte – ein Rezept ihrer alten Heimat für hartnäckige Fälle von Milchschorf. Und bald dachte sie überhaupt nicht mehr an die Schuppen. Das Baby war in jeglicher Hinsicht vollkommen: kräftig, aufgeweckt, gesund und hübsch.
Bislang waren keine Eltern aufgetaucht, die das Kind für sich beansprucht hätten, und man hörte auch nichts von einem Schiffsunglück. Eleanor gab dem Kind den niederländischen Namen Marijn, was »aus dem Meer« bedeutete. Und wohl wissend, dass Marijn die Tochter war, die sie sonst nie mehr bekommen hätte, öffnete Eleanor ihr kleines Geheimfach, um dem Mädchen die Gabe zu vermachen, die sie vor dreißig Jahren, als junge Braut, eines Tages ihrer eigenen Tochter hatte schenken wollen.
Sie hakte den Verschluss auf, schlang die kleine Kette vorsichtig um
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