syrenka
dafür sorgte, dass Hester nicht um sich schlug.
Umsonst versuchte Hester sich zu wehren. Needa war zu stark. Needa, die so getan hatte, als sei sie ihre Freundin! Hester schloss die Augen und versuchte den Kuss zu ertragen. Noo´kas´ Zunge war so lang, dass Hester würgen musste, was aber Noo´kas´ Leidenschaft nur noch mehr anzufachen schien. Hester erinnerte sich an die Illustration in Ezras Journal – zu der er geschrieben hatte, dass sie die älteste aller Sirenen war, so alt, dass sie physisch verfiel –, und auch wenn die düstere Darstellung ihr ähnelte, konnte sie die Abscheulichkeit des lebendigen Monsters bei Weitem nicht wiedergeben. War es das hier, was Ezras Geist bei jedem Hochwasser ertragen musste?
Noo´kas ließ sich wieder auf ihren Thron sinken und leckte ihre Lippen. »Köstlich«, sagte sie leise. Needa lockerte ihren Griff.
Hester versuchte sich an Ezras schriftliche Aufzeichnungen in seinem Journal zu erinnern. Dort hatte er erklärt, wie man Squauanit entkam: Man musste auf seine Verbindung zum Land bestehen und darauf beharren, dass man gehen wollte. Beides hatte Hester getan. Aber es hatte nicht funktioniert. In Kürze würde man ihr die Beine zusammenbinden und ein Schwanz würde sich an ihrer Stelle entwickeln. Sie würde Semiramis genannt werden und ihre menschliche Identität würde verblassen. Ihre Familie und ihre Freunde müssten sich auf ewig fragen, was mit ihr passiert war, und würden nicht richtig um sie trauern können. Linnie würde weiter in ihrem Leid gefangen sein. Und Ezra musste Noo´kas´ widerliche Besuche bis in alle Ewigkeit ertragen.
Hester hatte sie im Stich gelassen. Sie allesamt, einschließlich Pastor McKee.
Pastor McKee . Woher hatte er von Ezras Verbindung zu den Sirenen gewusst? Warum hatte er Hester dazu gebracht, nach diesen Wesen zu forschen? Ob er gewusst hatte, dass sie in dieser gottverlassenen Unterwelt in die Falle gehen würde? McKee hatte Hester vor Ezra gewarnt ... aber warum hatte er ihr nicht gesagt, dass Ezra ein Geist war – wie er es bei Linnie getan hatte? Mit einem Mal fiel ihr der Flachmann in ihrer Tasche ein. MMM – Michael Morangie McKee. Es war McKees Flachmann! Er hatte ihn so sehr vermisst und sich alle Mühe gegeben, Hester dieses Erinnerungsstück genau zu beschreiben. Fast konnte man denken, er hätte Hester absichtlich auf diese Fährte dirigiert, damit sie ihn fand.
Und dann traf sie die Erkenntnis geradezu physisch, wie ein Schlag gegen die Brust: Pastor McKee war ebenfalls ein Geist! Er war der tote Pastor jener tragischen Nacht in der Krypta, den Sylvie Atwood erwähnt und über den Hester in der alten Zeitung gelesen hatte. Hester begann auf ihren tauben Beinen zu wanken und Needa hielt sie sanft und verstohlen aufrecht.
Allmählich wurde Hester alles klar: McKee wollte von ihr erlöst werden, gemeinsam mit Linnie, und der Flachmann war der geliebte Gegenstand aus seiner Vergangenheit, der dazu notwendig war.
Plötzlich wurde Noo´kas aufmerksam. »Was versteckst du vor mir, meine liebe Semiramis?«
Hester stellte sich gerade hin und drückte die Schultern nach hinten, während Needa sie weiter daran festhielt. »Ich heiße Hester Goodwin und ich werde jetzt an die Wasseroberfläche zurückkehren.«
Aber Noo´kas´ Blick war fest auf Hesters Hosentasche gerichtet. »Es ist ein Stück aus meinem Schatz. Du hast mich bestohlen!«
Noo´kas gab Weeku einen Wink, worauf diese zu Hester schwamm und ihr den Flachmann aus der Tasche zog. Dabei sah sie Hester höhnisch an. Ohne Hester eines Blickes zu würdigen, nahm Noo´kas den Flachmann entgegen.
»Das gehört dir nicht!«, fuhr Hester Noo´kas an. Sie versuchte sich aus Needas Umklammerung loszumachen, griff aber vergeblich in die Leere zwischen ihnen. »Dieser Flachmann gehört einem Freund von mir und er soll ihn zurückbekommen.«
»Alles, was ins Meer fällt, gehört mir.« Noo´kas hielt den Flachmann in die Höhe. »Hübsche Flaschen und hübsche Mädchen.«
»Ich bin nicht ins Meer gefallen !« Hester streckte Noo´kas drohend ihren Finger entgegen. »Du hast mich entführt! Du hast Needa geschickt und mich hinabziehen lassen. Bis dein Zauber eingesetzt hatte, wäre ich fast schon ertrunken.«
»Du wärst nicht ertrunken«, erwiderte Needa. »Du hast schon immer unter Wasser atmen können, von Geburt an.«
»Sei still!«, fauchte Noo´kas ihre Dienerin an. »Du gibst zu viel preis, du schwatzhafte Närrin!«
»Es tut mir leid, Meisterin.« Needa
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