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System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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der Eingangshalle, der Quelle des herrlichen Duftes.
    »Einen Piccolo bitte«, sagte er zu der blonden Barista, deren Haar nur wenig länger war als Rauschs.
    »Er wartet«, sagte Rausch neben ihm angespannt, wobei er die erste Silbe von »wartet« besonders betonte.
    »Er will schließlich, dass ich etwas zum Gespräch beitrage«, sagte Milgrim und sah zu, wie die junge Frau gekonnt den Kaffee in die Tasse füllte. Sie schäumte Milch auf und zeichnete dann noch ein Valentinsherz in den fertigen Kaffee in Milgrims weißer Tasse. »Vielen Dank«, sagte er.
    Rausch schwieg wütend, während sie mit dem Aufzug in den vierten Stock hinauffuhren. Milgrim war vorwiegend damit beschäftigt, Tasse und Untertasse geradezuhalten, um nichts zu verschütten.
    Als die Türen aufglitten, stand Pamela Mainwaring vor ihnen. Nach Milgrims Ansicht sah sie aus wie das, was sich ein äußerst geschmackvoller Pornograph unter einer »reifen Frau« vorstellen würde. Ihre blonden Haare trug sie in einer entzückenden Ponyfrisur.
    »Willkommen zurück«, sagte sie, ohne auf Rausch zu achten. »Wie war South Carolina?«
    »Okay«, sagte Milgrim, die rote Pappröhre in der einen und den Piccolo in der anderen Hand. Er hielt die Röhre hoch. »Ich hab sie.«
    »Sehr schön«, sagte sie. »Kommen Sie herein!«
    Milgrim folgte ihr in einen länglichen Raum mit einem langgezogenen Tisch in der Mitte. Bigend saß am gegenüberliegenden Tischende vor einem Fenster. Er sah wie eine Fehlfunktion auf einem Computerbildschirm aus, doch dann wurde Milgrim klar, dass das an seinem Anzug lag, der eine seltsam elektrisierende kobaltblaue Farbe hatte.
    »Darf ich?«, fragte Pamela, nahm ihm die rote Pappröhre ab und reichte sie an die junge Frau weiter, die Milgrim in Bigends Bekleidungsdesignerteam am besten gefiel, eine Französin, die heute einen Schottenrock und einen Kaschmirpullover trug. »Und die Fotos?«
    »In meiner Tasche«, sagte Milgrim.
    Während sie seine Tasche auf den Tisch legte und öffnete, schlossen sich vor dem Fenster hinter Bigend geräuschlos elektrische Jalousien. Über ihnen flammten Lampen auf und beleuchteten den Tisch, auf dem das Transparentpapier mit den Pausen, die Milgrim angefertigt hatte, vorsichtig entrollt wurde. Er hatte daran gedacht, seinen Fotoapparat obenauf zu packen, und dieser wurde nun von Hand zu Hand den Tisch herumgereicht.
    »Ihre Medikamente«, sagte Pamela und reichte ihm eine frische Pillenpackung.
    »Also dann«, sagte Bigend und stand auf. »Nehmen Sie Platz!«
    Milgrim setzte sich auf den Stuhl rechts neben Pamela. Sie saßen auf exzellenten Arbeitssesseln schweizerischer oder italienischer Herkunft, und er musste sich zusammennehmen, um nicht an den verschiedenen Hebeln und Knöpfen herumzuspielen, die unter dem Sitz hervorragten.
    »Ich sehe hier das Bundeswehr-NATO-Muster«, sagte jemand. »Die Beine sind wie bei der 501.«
    »Aber nicht der Sattel«, sagte die junge Frau in Kilt und Kaschmir. Der Sattel, wie er gelernt hatte, war alles, was sich bei einer Jeans oberhalb des Beins befand. »Die beiden kleinen Bundfalten fehlen, und die Leibhöhe ist geringer.«
    »Die Fotos«, sagte Bigend. Über dem Fenster flammte auf einem Plasmabildschirm ein türkisblauer Hintergrund auf, vor dem sich ein Gegenstand aus kupferfarbenem Kojotenbraun befand - die Resopaltheke im Edge City Family Restaurant erwachte in einem abgedunkelten Raum in der Londoner Innenstadt zu neuem Leben.
    »Sie hat keine Knieschützer«, sagte ein junger Mann, ein Amerikaner. »Und auch keine Taschen dafür.«
    »Wir haben gehört, dass sie ein neues Rückhaltesystem für Knieschützer entwickelt haben«, sagte die Französin mit der Ernsthaftigkeit einer Chirurgin. »Aber das kann ich hier nicht entdecken.«
    Danach sahen sie schweigend zu, wie Milgrims Fotos durchliefen.
    »Was haben sie für einen taktischen Wert?«, fragte Bigend, als das erste Foto erneut auftauchte. »Haben wir es mit einem Prototyp für einen Auftrag des Verteidigungsministeriums zu tun?«
    Es herrschte Stille. Dann sagte jemand: »Das ist Straßenkleidung.« Die Französin, die weitaus selbstsicherer war als die anderen. »Wenn diese Hose für das Militär bestimmt ist, dann jedenfalls nicht für das amerikanische.«
    »Er hat gesagt, ihr fehlt ein Zwickel«, meldete sich Milgrim zu Wort.
    »Wie bitte?«, fragte Bigend leise.
    »Er hat gesagt, sie sei zu eng an den Oberschenkeln. Für das Abseilen.«
    »Tatsächlich?«, sagte Bigend. »Das ist gut. Das

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