Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)
chemischen Produkte zur Hälfte. Stets trug sie eine Schnürbrust, deren Spitze sehr weit herunter reichte und die überall mit Schleifen besetzt war, selbst an der Spitze! ... Ihr Rock gab knisternde Töne von sich, ein solcher Ueberfluß von Seide und Falbeln war dafür aufgewandt.
Dieser unnütze Punkt, der das binnen kurzem unerklärliche Wort atours rechtfertigt, bestand am heutigen Abend aus kostbarem Seidendamast. Madame Soudry besaß hundert Kleider, eins wundervoller als das andere, denn sie stammten alle aus Mademoiselle Laguerres ungeheurer und glänzender Garderobe, und waren alle von ihr selbst nach der neuesten Mode von 1808 umgeändert worden. Die Haare ihrer blonden, gekräuselten und gepuderten Perücke schienen ihre herrliche Schleifenhaube aus kirschrotem Atlas, der mit den Bändern ihrer Garnituren übereinstimmte, noch wirkungsvoller zu machen.
Wenn ihr euch unter dieser überkoketten Haube ein Meerkatzengesicht von monströser Häßlichkeit vorstellen wollt, dessen Stumpfnase, die fleischlos ist wie die des Todes, durch einen breiten Rand bärtigen Fleisches, von einem Munde mit einem falschen Gebiß getrennt ist, in welchem die Töne sich verfangen wie in Jagdhörnern, so werdet ihr schwerlich begreifen, warum die erste Gesellschaft der Stadt, kurz, ganz Soulanges, diese Quasikönigin schön fand, außer wenn ihr euch der kurzen Abhandlung ex professo erinnert, welche jüngst eine der geistreichsten Frauen unserer Zeit über die Kunst, sich in Paris durch die Requisiten; mit denen man sich dort umgibt, schön zu machen, geschrieben hat. Tatsächlich lebte Madame Soudry erstens inmitten der prachtvollen Geschenke, die sie bei ihrer Gebieterin aufgehäuft hatte, und die der Exbenediktiner »fructus belli« nannte. Dann zog sie aus ihrer Häßlichkeit Nutzen, indem sie sie übertrieb, indem sie sich jene Miene, jenen Anstrich gab, den man nur in Paris anzunehmen weiß, und der das Geheimnis auch der vulgärsten Pariserin bleibt, die stets mehr oder weniger äffisch ist. Sie schnürte sich stark, trug eine ungeheure Tournüre, hatte Diamantohrringe, und ihre Finger starrten von Ringen. Endlich blitzte oben auf ihrem Ausschnitt zwischen zwei unförmigen Massen, die mit weißer Schminke überzogen waren, ein Maikäfer, der aus zwei Topasen und einem Diamantkopf bestand, ein Geschenk der lieben Herrin, von dem man im ganzen Bezirke sprach.
Wie ihre verstorbene Herrin ging sie stets mit bloßen Armen und hantierte mit einem von Boucher gemalten Elfenbeinfächer herum, dessen Knöpfe zwei kleine Rosen bildeten.
Wenn Madame Soudry ausging, hielt sie den veritablen Sonnenschirm des XVIII. Jahrhunderts, das heißt, ein Rohr, an dessen Spitze sich ein kleiner grüner Schattenspender mit grünen Fransen auftat, über sich. Wenn sie sich oben auf der Terrasse erging, würde ein sie von weitem betrachtender Vorübergehender geglaubt haben, eine Watteausche Gestalt dahinwandeln zu sehen.
In dem mit rotem Damast ausgeschlagenen Salon, dessen Damastvorhänge mit weißer Seite gefüttert waren und dessen Kamin mit Chinoiserien der guten Zeit Ludwigs XV. geschmückt war, in diesem Salon, voller Möbel aus vergoldetem Holz mit Bocksfüßen, fand man es begreiflich, daß die Leute von Soulanges von der Hausherrin sagen konnten: »Die schöne Madame Soudry!« So war das Hôtel das nationale Vorurteil der Bezirkshauptstadt geworden.
Wenn die erste Gesellschaft dieser kleinen Stadt in ihr seine Königin sah, so glaubte ihre Königin gleichfalls an sich selbst. Durch ein Phänomen, das nicht selten ist und das Muttereitelkeit wie Autoreneitelkeit in jedem Augenblick sich vor unseren Augen bei literarischen Werken wie bei heiratsfähigen Töchtern vollziehen läßt, hatte die Cochet sich in sieben Jahren so gut in die Rolle der Frau Bürgermeister hineingefunden, daß die Soudry sich nicht nur nicht mehr ihres ersten Standes erinnerte, sondern auch eine »Frau comme il faut« zu sein wähnte. Sie hatte sich der Kopfbewegungen, der Falsettöne, der Gesten und des Wesens ihrer Herrin so gut erinnert, daß sie mit ihrer opulenten Existenz auch ihre Impertinenz wiederfand. Sie kannte ihr XVIII. Jahrhundert, die Anekdoten der hohen Herren und deren Verwandtschaften in- und auswendig. Diese Vorzimmergelehrsamkeit ließ sie eine Unterhaltung führen, die nach Wartezimmer roch. Dort aber galt ihr Soubrettenwitz als gediegener Verstand. Was die Moral anlangte, so bestand die Bürgermeisterin, wenn ihr wollt, aus Straß; gilt
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