Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)
Straß aber den Wilden nicht ebensoviel wie der Diamant? Diese Frau hörte sich, wie ehedem ihre Herrin, schmeicheln und vergöttern von den Leuten der Gesellschaft, die alle acht Tage ein Diner bei ihr fanden und, wenn sie im Augenblicke des Nachtisches ankamen, was zufällig ziemlich oft geschah, Kaffee und Liköre. Kein Frauenhirn hätte der erheiternden Macht dieser ständigen Beweihräucherung zu widerstehen vermocht. Zur Winterzeit füllte sich der gut gewärmte, im Kerzenglanz strahlende Salon mit den reichsten Bürgern, welche die feinen Liköre und die aus dem Keller der teuren Herrin stammenden erlesenen Weine mit Lobsprüchen bezahlten. Die Stammgäste und ihre Frauen, wahre Nutznießer dieses Prunks, sparten auf die Weise Feuerung und Licht. Und wißt ihr, was auf fünf Meilen in der Runde und selbst in Ville-aux-Fayes proklamiert wurde?
»Madame Soudry macht wunderbar die Honneurs bei sich,« sagte man, wenn man die Honoratioren des Bezirks Revue passieren ließ; »sie hält offenes Haus, man ist herrlich aufgehoben bei ihr. Sie macht die Wirtin, wie ihr Vermögen es verlangt. Sie ist immer zum Scherzen aufgelegt. Und welch schönes Silber! Solch ein Haus gibt's nur noch in Paris! ...«
Das von Bouret Mademoiselle Laguerre geschenkte Silberzeug, prachtvolles Silbergerät von dem berühmten Germain, war von der Soudry buchstäblich gestohlen worden. Bei Mademoiselle Laguerres Tode hatte sie es ganz einfach in ihr Zimmer gebracht, und dies Silberzeug konnte von den Erben, die von den Werten der Erbschaft keine Ahnung hatten, nicht reklamiert werden. Seit einiger Zeit sprachen die zwölf oder fünfzehn Leute, welche die erste Gesellschaft von Soulanges repräsentierten, von Madame Soudry als von Mademoiselle Laguerres vertrauter Freundin; sie schreckten vor dem Wort Kammerfrau zurück und behaupteten, sie hätte sich der Sängerin aufgeopfert, indem sie sich zur Gesellschafterin der großen Sängerin gemacht.
Seltsam aber wahr! All diese Illusionen, die Wirklichkeiten geworden waren, pflanzten sich bei Madame Soudry bis in die positiven Regionen des Herzens fort: sie herrschte tyrannisch über ihren Ehemann.
Der alte Gendarm, gezwungen eine Frau zu lieben, die zehn Jahre älter war als er, und die über die Verwaltung ihres Vermögens wachte, bestärkte sie in den Vorstellungen, die sie sich schließlich von ihrer Schönheit machte. Wenn man ihn beneidete, wenn man mit ihm von seinem Glücke sprach, wünschte der Gendarm nichtsdestoweniger manchmal, daß man an seiner Stelle wäre; denn, um seine Seitensprünge zu vertuschen, ergriff er Vorsichtsmaßregeln, wie man sie einer jungen angebeteten Frau gegenüber ersinnt, und er hatte erst seit einigen Tagen eine hübsche Magd ins Haus bringen können.
Das Porträt dieser Königin ist etwas grotesk, aber man konnte damals noch mehrere solche Exemplare in der Provinz antreffen, die einen mehr oder minder vornehm, die anderen der Hochfinanz angehörig, – Beweis eine Generalpächterswitwe, die sich in der Touraine noch Kalbfleischscheiben auf die Wangen legte. – Dieses nach der Natur gemalte Porträt würde aber unvollständig sein ohne die Brillanten, in die es eingefaßt ist und ohne die hauptsächlichen Höflinge. Deren Skizzierung ist notwendig, und wäre es nur, um zu erklären, wie furchtbar solche Liliputaner, und wie inmitten der kleinen Städte die Organe der öffentlichen Meinung beschaffen sind. Man täusche sich nicht; es gibt Oertlichkeiten, die, ähnlich wie Soulanges, ohne Marktflecken, Dorf oder kleine Stadt zu sein, der Stadt, dem Dorf und dem Marktflecken ähneln. Die Physiognomien der Bewohner sind ganz anders wie inmitten guter, reicher und schlimmer Provinzstädte; das Landleben beeinflußt dort die Sitten, und diese Farbenmischung bringt wirklich originelle Figuren hervor.
Nach Madame Soudry war der Notar Lupin, der Geschäftsträger des Hauses Soulanges, die gewichtigste Persönlichkeit; denn es hat keinen Zweck, von dem alten Gendrin-Wattebled, dem Oberförster, einem Neunzigjährigen, zu sprechen, der im Absterben begriffen war und seit Madame Soudrys Ankunft zu Hause blieb. Nachdem er über Soulanges als ein Mann geherrscht, der sich seiner Stellung seit Ludwigs XV. Regierung erfreut hatte, sprach er in seinen lichten Augenblicken aber noch von der Jurisdiktion des Marmortisches.
Obwohl er fünfundvierzig Lenze zählte, sang Lupin, der dank dem Embonpoint, das Stubenhocker sich unvermeidlich zulegen, frisch und rosig war, noch
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