Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)
sichere Anzeichen einer rechtschaffenen Seele sind, welche sich dem Guten durch den Schwung des natürlichen Instinktes sowohl wie durch die Macht und Festigkeit der religiösen Ueberzeugungen gewidmet hat.
Auf den ersten Blick erriet dieser hervorragende Priester Blondets Liebe zur Gräfin; er begriff, daß er einer Troisville und einem monarchistischen Schriftsteller gegenüber sich als geistreicher Mensch zeigen müßte, weil seine Robe stets respektiert werden würde. Fast allabendlich gab er den vierten Mann beim Whist ab. Der Schriftsteller, der Abbé Brossettes Wert anzuerkennen wußte, war ihm so achtungsvoll entgegengekommen, daß sie Sympathie für einander gewonnen hatten, wie es jedem geistreichen Menschen begegnet, der entzückt ist, einen Gevatter oder, wenn ihr wollt, einen Zuhörer zu finden. Jeder Degen liebt seine Scheide.
»Wem aber, Herr Abbé, der Sie durch Ihre Hingebung über Ihrer Stellung stehen, schreiben Sie diesen Stand der Dinge zu?«
»Nach einer so schmeichelhaften Parenthese will ich Ihnen keine Banalitäten sagen,« antwortete lächelnd der Abbé Brossette. »Was hier im Tale vor sich geht, geschieht überall in Frankreich, und hat seinen Grund in der Hoffnung, welche die Bewegung von 1789 den Gemütern der Bauer sozusagen infiltriert hat. Die Revolution hat bestimmte Landesteile mehr aufgewühlt als andere; und dieser Saum von Burgund, der Paris so nahe liegt, ist einer von denen, wo man den Sinn dieser Bewegung für den Triumph des Galliers über den Franken gehalten hat. Historisch genommen stehen die Bauern noch, wo sie am Tage nach der Jacquerie standen; ihre Niederlage ist in ihr Gehirn eingegraben geblieben. Sie erinnern sich nicht mehr des Geschehens, es ist in den Zustand einer instinktiven Idee übergegangen. Diese Idee steckt im Bauernblute, wie die Idee der Ueberlegenheit einstmals im adligen Blute festsaß. Die Revolution von 1789 ist die Vergeltung der Besiegten gewesen. Die Bauern haben den Fuß auf den Besitz des Bodens gestellt, den das Feudalrecht ihnen seit zwölfhundert Jahren untersagte. Daher stammt ihre Liebe zur Erde, die sie so genau unter sich teilen, daß sie noch eine Ackerfurche in zwei Hälften schneiden, was oft die Steuererhebung annulliert; denn der Wert der Besitzung würde nicht genügen, um die Klagekosten für die Beitreibung zu decken.« »Ihre Starrköpfigkeit, ihr Mißtrauen – wenn Sie wollen – in dieser Beziehung ist derartig, daß es in tausend Bezirken von den dreitausend, aus denen sich das französische Gebiet zusammensetzt, einem reichen Manne unmöglich ist, sich ein Bauerngut zu kaufen,« sagte Blondet, den Abbé unterbrechend. »Die Bauern, die sich ihre Landstückchen untereinander abtreten, gäben sie um keinen Preis und unter keiner Bedingung an einen Bürger ab. Je mehr Geld der Großgrundbesitzer bietet, desto größer wird die vage Unruhe des Bauern. Einzig die Zwangsenteignung läßt das Bauerngut unter das allgemeine Gesetz der Transaktionen wieder zurückkehren. Viele Leute haben diese Tatsache beobachten können und finden den Grund dafür nicht.«
»Der Grund ist folgender,« erwiderte Abbé Brossette, der mit Recht annahm, daß eine Pause bei Blondet einer Frage gleichkäme. »Zwölf Jahrhunderte bedeuten nichts für eine Kaste, welche das historische Schauspiel der Zivilisation niemals von ihrem Hauptgedanken abgelenkt hat, und die noch stolz den Hut mit breiter Krempe und Seideneinfassung ihrer Herrn seit dem Tage beibehält, wo die von ihnen aufgegebene Mode sie von ihr hat Besitz ergreifen lassen. Die Liebe, deren Wurzel bis in die Eingeweide des Volkes taucht, die Liebe, die sich heiß an Napoleon heftete, um deren Geheimnis er, soviel er auch daran glaubte, nicht einmal wußte, und die das Wunder seiner Rückkehr von 1815 zu erklären vermag, stammt einzig aus dieser Idee. In den Augen des Volkes ist Napoleon, der durch seine Million Soldaten unaufhörlich mit dem Volke verbunden ist, noch der aus den Flanken der Revolution hervorgegangene König, der Mann, der ihm den Besitz der Nationalgüter sicherte. Seine Salbung wurde in diesen Gedanken getaucht ...«
»Einen Gedanken, welchen 1814 unglücklicherweise angetastet hat, und den die Monarchie als heilig ansehen muß,« sagte Blondet lebhaft, »denn das Volk kann beim Throne einen Fürsten finden, dem sein Vater Ludwigs XVI. Kopf als einen Erbschaftswert hinterlassen hat.«
»Da kommt Madame, lassen Sie uns schweigen,« sagte der Abbé Brossette ganz leise.
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