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Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Titel: Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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machen. Sie händigte sie Gaubertin ein, der sie verkaufte und ihr den Preis getreulich in Hartgeld brachte. Dieser Rechtschaffenheitsbeweis rührte Mademoiselle sehr. Sie glaubte seit dem Augenblicke an Gaubertin wie an Piccini.
    Im Jahre 1796, der Zeit seiner Heirat mit der Bürgerin Isaure Mouchon, der Tochter eines alten Konventsfreundes seines Vaters, besaß Gaubertin dreihundertfünfzigtausend Franken in Silber, und da seines Ermessens das Direktoire von Dauer sein würde, wünschte er, bevor er sich verheiratete, seine fünf Verwaltungsjahre von Mademoiselle lobend anerkannt zu wissen, indem er eine neue Aera vorschützte.
    »Ich werde Familienvater sein,« sagte er, »Sie wissen, in welchem Rufe die Verwalter stehen; mein Schwiegervater ist ein Republikaner von römischer Rechtschaffenheit, ein einflußreicher Mann überdies, ich will ihm beweisen, daß ich seiner würdig bin.«
    Mademoiselle schloß Gaubertins Rechnungen mit den schmeichelhaftesten Wendungen ab.
    Um Madame des Aigues Vertrauen einzuflößen, versuchte der Verwalter in den ersten Zeiten den Bauern Einhalt zu tun, da er mit Recht fürchtete, daß die Einkünfte unter ihren Verwüstungen leiden und die nächsten Bestechungsgelder des Holzhändlers schmaler ausfallen könnten. Doch fühlte das souveräne Volk damals sich überall zu Hause; Madame hatte Angst vor ihren Königen, als sie sie aus nächster Nähe sah, und sagte zu ihrem Richelieu, daß sie vor allem in Ruhe sterben möchte. Die Einkünfte der alten ersten Untertanin der Gesangskunst überstiegen ihre Ausgaben so sehr, daß sie die unheilvollsten Präzedenzfälle einreißen ließ. Um nicht zu prozessieren, duldete sie die Terraindiebstähle ihrer Nachbarn. Da sie ihren Park von unübersteiglichen Mauern umgeben sah, fürchtete sie nicht, in ihren unmittelbaren Genüssen gestört zu werden, und wünschte als eine wahre Philosophin, die sie war, nichts anderes wie den Frieden. Was waren einige tausend Livres Rente mehr oder weniger! Was Preisnachlässe, die von dem Holzhändler der von den Bauern verübten Schäden wegen auf den Pachtpreis verlangt wurden, in den Augen eines alten Opernmädchens, das verschwenderisch und sorglos war, das hunderttausend Livres Einkünfte nur mit Vergnügen bezahlt und das, ohne sich zu beklagen, eben die Verringerung derselben auf zwei Drittel: auf sechzigtausend Franken Rente erlitten hatte?
    »Ach,« sagte sie mit dem Leichtsinn der Zuchtlosen des alten Regimes, »alle Welt, selbst die Republik muß leben!«
    Die schreckliche Mademoiselle Cochet, ihre Kammerfrau und ihr weiblicher Vezir, hatte sie aufzuklären versucht, als sie sah, welche Herrschaft Gaubertin über sie erlangte, der sie trotz der revolutionären Gesetze über die Gleichheit von Anfang an »Madame« nannte. Gaubertin klärte aber seinerseits Mademoiselle Cochet auf, indem er ihr eine sogenannte von seinem Vater, dem öffentlichen Ankläger, geschickte Denunziation zeigte, in der sie auf das Härteste angeklagt wurde, mit Pitt und mit Koburg zu korrespondieren. Von da ab teilten die beiden Mächte, aber à la Montgomery. Die Cochet strich Gaubertin bei Mademoiselle Laguerre heraus, wie Gaubertin ihr gegenüber die Cochet lobte. Die Kammerfrau hatte übrigens ihr Schäfchen schon im trocknen, sie hatte sich mit sechzigtausend Franken in Madames Testament hinein praktiziert. Madame konnte nicht ohne die Cochet auskommen, so sehr war sie an sie gewöhnt. Das Mädchen kannte alle Toilettengeheimnisse der lieben Herrin; besaß das Talent, ihre liebe Herrin abends mit tausend Histörchen einzuschläfern und morgens mit den schmeichelhaftesten Worten aufzuwecken. Kurz, sie fand die liebe Herrin bis zu ihrem Todestage nicht verändert, und als die liebe Herrin im Sarge lag, fand sie sie zweifelsohne noch sehr viel schöner als sie sie je im Leben gesehen.
    Gaubertins und Mademoiselle Cochets jährliche Gewinste, ihre Gehälter und Vorteile wurden so beträchtlich, daß zärtlichste Verwandte nicht mehr an diesem ausgezeichneten Geschöpfe gehangen haben würden als sie. Man weiß noch nicht, wie sehr ein Schuft den, welchen er betrügt, hätschelt. Eine Mutter ist einer angebeteten Tochter gegenüber weder so schmeichlerisch noch so fürsorglich, als es jeder Anfänger in der Scheinheiligkeit seiner Milchkuh gegenüber ist. Welchen Erfolg haben doch die bei verschlossenen Türen gespielten Tartuffe-Aufführungen! Das wiegt die Freundschaft auf. Molière ist zu früh gestorben, er würde uns

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