Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)
ihr und den Gaubertin zu Mittag aß.
Während ihres ganzen Lebens ließ Madame einen Tisch für sich allein oder für ihre Gesellschaft decken. Trotz ihrer Familiarität wurden niemals, weder die Cochet noch die Gaubertin, zur Tafel der ersten Schülerin der königlichen Musik- und Tanzakademie zugelassen, die bis zur letzten Stunde ihre Etikette, ihre Toilettengewohnheiten, ihr Rot und ihre Pantoffeln, ihren Wagen, ihre Leute und ihre Göttinnenmajestät beibehielt. Göttin im Theater, Göttin in der Stadt, blieb sie Göttin bis in die Tiefe des Landes hinein, wo ihr Gedächtnis noch angebetet wird und dem Hofe Ludwigs XVI. im Geiste der »ersten Gesellschaft« von Soulanges ganz sicherlich die Wage hält.
Dieser Soudry, der seit seiner Ankunft im Lande der Cochet den Hof machte, besaß das schönste Haus in Soulanges, etwa sechstausend Franken, und die Hoffnung auf vierhundert Franken Gnadengehalt vom Tage an, wo er den Dienst verlassen würde. Als die Cochet Madame Soudry geworden war, erlangte sie hohes Ansehen in Soulanges. Obwohl sie striktestes Geheimnis über die Höhe ihrer Ersparnisse wahrte, die, wie Gaubertins Fonds, in Paris bei dem Beauftragten der Weinhändler des Bezirks angelegt waren, einem gewissen Leclercq, einem Sohne des Landes, in dessen Geschäft der Verwalter Geld stecken hatte, machte die öffentliche Meinung aus der ehemaligen Kammerfrau eine der wohlhabendsten Frauen dieser kleinen Stadt von etwa zwölfhundert Seelen.
Zum größten Erstaunen des Landes erkannten Monsieur und Madame Soudry in ihrem Heiratsvertrage einen natürlichen Sohn des Gendarms, dem Madame Soudrys Vermögen demzufolge zufallen mußte, als legitim an. Am Tage, wo dieser Sohn offiziell eine Mutter erhielt, hatte er grade sein Rechtsstudium in Paris beendigt und nahm sich vor, dort seinen Aufenthalt zu nehmen, um den Richterberuf zu ergreifen.
Es erübrigt sich beinahe zu bemerken, daß das zwanzigjährige wechselseitige Einvernehmen die dauerhafteste Freundschaft zwischen den Gaubertin und Soudry mit sich brachte. Die einen wie die anderen mußten sich bis zum Ende ihrer Tage gegenseitig für die »honnetesten Leute« urbi et orbi ausgeben. Dies Interesse, das auf einer gegenseitigen Kenntnis der geheimen Flecken basierte, die das weiße Kleid ihres Gewissens trug, ist eine der Fesseln, welche sich hienieden am wenigsten leicht lösen lassen. Ihr, die ihr dieses soziale Drama lest, seid dessen ja so gewiß, daß ihr, um den ununterbrochenen Bestand gewisser Ergebenheiten zweier Personen, der euren Egoismus erröten läßt, zu erklären, sagt: »Sicherlich haben sie ein Verbrechen gemeinsam begangen.«
Nach fünfundzwanzigjähriger Verwaltung sah sich der Verwalter im Besitz von sechshunderttausend Franken in Silber und die Cochet hatte etwa zweimalhundertfünfzigtausend Franken. Der behende und fortwährende Umsatz dieser Fonds, die dem Hause Leclercq und Kompagnie am Quai de Béthune bei der Ile Saint-Louis, einem Widersacher des berühmten Hauses Grandet, anvertraut worden waren, trug viel zu dieses Weinkommissionärs und Gaubertins Vermögen bei. Bei Mademoiselle Laguerres Tode wurde Jenny, des Verwalters älteste Tochter, von Leclercq, dem Chef des Hauses am Quai de Béthune, geheiratet. Damals schmeichelte sich Gaubertin mit der Hoffnung, durch ein im Bureau Herrn Lupins, eines Notars, der sich vor zwölf Jahren in Soulanges niedergelassen hatte, angezetteltes Complott, Besitzer von Les Aigues zu werden.
Lupin, ein Sohn des letzten Verwalters des Hauses Soulanges, hatte sich zu faulen Sachverständigengutachten, zu einer Schätzung des Preises auf fünfzig Prozent unter dem Werte, zu in Wirklichkeit nicht ausgeführten Plakatierungen und zu allen Manövern herbeigelassen, die leider Gottes in den Provinzen so üblich sind, um, wie man zu sagen pflegt, unter dem Deckmantel »wichtige Immobilien« den Zuschlag zu erteilen. Letzhin ist, wie es heißt, in Paris eine Gesellschaft gegründet worden, deren Ziel es ist, gegen die Urheber solcher Anschläge Erpressungen anzuwenden, indem man sie zu überbieten droht. Doch im Jahre 1816 war Frankreich nicht wie heute durch eine leuchtende Oeffentlichkeit erhellt; die Komplizen konnten also auf eine heimlich zwischen der Cochet, dem Notar und Gaubertin abgemachte Teilung rechnen, welch letzterer sich in petto vorbehielt, ihnen eine Summe anzubieten, um sie für ihre Anteile schadlos zu halten, wenn die Besitzung einmal auf seinen Namen überschrieben worden sei. Der
Weitere Kostenlose Bücher