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Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Titel: Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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altgewordene Alte.
    »Bah,« entgegnete die alte Tonsard, »Sie haben eine hübsche Tochter, sie ist siebzehn Jahre alt; wenn sie klug ist, werden Sie leicht mit dem alten Krippensetzer ins Reine kommen.«
    »Wir haben sie vor zwei Jahren nach Auxerre geschickt zu der alten Madame Mariotte, um sie vor allem Unglück zu bewahren,« sagte er, »lieber will ich verrecken, als ...«
    »Er ist verrückt,« sagte Tonsard, »sehen Sie meine Töchter an, sind die gestorben? Wer da leugnen wollte, daß sie verständig wie Heiligenbilder sind, hätte sich vor meiner Flinte zu verantworten!«
    »'s wäre bitter, wenn's dahin käme!« rief Courte-Cuisse, den Kopf schüttelnd, »lieber sähe ich's, wenn man mich bezahlte, auf einen von den Arminacs zu schießen!«
    »Ah! besser ist's, seinen Vater zu retten als seine Tugend sauer werden zu lassen!« erwiderte der Schankwirt.
    Tonsard spürte einen harten Schlag, den Vater Niseron ihm auf die Schulter versetzte.
    »Was du da redest, ist nicht gut!« sagte der Alte. »Ein Vater ist der Hüter der Ehre in seiner Familie. Wenn ihr euch aufführt, wie ihr's tut, werdet ihr die Verachtung auf uns ziehen, und man wird das Volk anklagen, daß es der Freiheit nicht würdig sei! Das Volk muß den Reichen das Beispiel bürgerlicher Tugenden und der Ehre geben. Alle, wie ihr da seid, verkauft ihr euch dem Rigou um Gold. Wenn ihr ihm nicht eure Töchter ausliefert, liefert ihr ihm eure Tugenden aus! Das ist schlimm!«
    »Seht doch, wohin es mit Courtebotte gekommen ist,« sagte Tonsard.
    »Sieh, wie's mir geht,« antwortete Vater Niseron; »ich schlafe ruhig; in meinem Kopfkissen gibt's keine Dornen.«
    »Laß ihn reden, Tonsard,« rief die Frau ihrem Manne ins Ohr; »du weißt ja, das ist das Steckenpferd des armen guten Mannes.«
    Bonnebault und Marie, Cathérine und ihr Bruder traten in diesem Augenblick in einer Erbitterung ein, die mit Nicolas' Mißerfolg eingesetzt und den die Mitteilung des von Michaud gefaßten Planes zum Sieden gebracht hatte. So ließ Nicolas denn auch, als er die väterliche Schenke betrat, eine furchtbare Verwünschung gegen das Michaudsche Paar und Les Aigues vom Stapel.
    »Die Ernte ist da; wohlan, ich werde nicht abreisen, ohne meine Pfeife an ihren Schobern angesteckt zu haben!« schrie er, indem er mit derber Faust auf den Tisch schlug, an den er sich setzte.
    »Sowas darf man nicht vor den Leuten ausschreien,« sagte Godain, auf Vater Niseron hinweisend, zu ihm.
    »Wenn er sprechen sollte, würd' ich ihm den Hals umdrehen, wie einem Hühnchen,« erwiderte Catherine, »der hat seine Zeit hinter sich, der alte Ausschreier übler Vernunftgründe! Man nennt ihn tugendhaft: das ist sein Temperament und das ist alles!«
    Einen seltsamen und merkwürdigen Anblick boten all die erhobenen Köpfe der in dem schmutzigen Loche versammelten Leute, an dessen Türe die alte Tonsard Wache hielt, um den Trinkern das Geheimnis ihrer Reden zu sichern. Von all diesen Gesichtern machte Godains, der Cathérine nachstellte, obwohl es das am wenigsten ausgesprochene war, den fürchterlichsten Eindruck. Godain, der Geizhals ohne Gold, welcher der grausamste aller Geizhälse ist; denn, muß man den, der Geld sucht, nicht dem voranstellen, der auf seinem Gelde sitzt? Der eine blickt in sich selber hinein, der andere blickt mit schrecklicher Beharrlichkeit geradeaus. Dieser Godain hätte euch den Typus der häufigsten Bauerngesichter dargeboten.
    Dieser Tagelöhner, ein kleiner Mann, der nicht zum Militär gekommen war, weil er das Mindestmaß nicht besaß, von Natur dürr, noch vertrockneter durch die Arbeit und die stupide Nüchternheit, unter der erbitterte Arbeiter wie Courte-Cuisse auf dem Lande erlöschen, wies ein faustgroßes Gesicht auf, das sein Licht aus zwei grünen, gelbgetigerten Augen mit braunen Punkten bezog, für die der Durst nach Geld um jeden Preis sich mit Begierde löschte, die jedoch der Hitze entbehrte; denn das anfangs kochende Verlangen war wie ein Lavastrom erstarrt. Auch klebte seine Haut an den Schläfen fest, die braun wie die einer Mumie waren. Sein dünner Bart stach aus seinen Runzeln hervor wie die Stoppeln aus den Furchen. Godain schwitzte niemals; er sog seine Substanz wieder auf. Seine haarigen und gekrümmten nervigen, unermüdlichen Hände schienen aus altem Holz zu bestehen. Obwohl er kaum siebenundzwanzig Jahre alt war, sah man bereits weiße Fäden in einem fuchsigen schwarzen Haupthaar. Er trug eine Bluse, durch deren Schlitz schwarz ein Hemd

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