T Tödliche Spur: Thriller (German Edition)
und sich unter die warme Decke zu kuscheln, den schmerzenden Kopf aufs Kissen zu legen, die Augen zu schließen und die Welt draußen auszublenden. Es würde ihr ohnehin nichts nutzen.
Sie fand die Pantoffeln, schlüpfte hinein, dann stand sie auf, streckte sich und gähnte.
Kaffee, das ist es, was du jetzt brauchst. Zwei, drei Tassen guten italienischen Kaffee, irgendeine Sorte mit richtig viel Koffein.
Durch das Fenster, das auf Anchorville hinausging, fiel ein Sonnenstrahl durch die nicht ganz geschlossenen Vorhänge und ließ sie zusammenzucken. Das Licht schnitt ihr wie ein scharfes Messer ins Gehirn. Mein Gott, wie ihr Kopf schmerzte! Doch schließlich war das nichts Neues, sie hatte sich fast schon daran gewöhnt.
Mit einem Ruck schob sie die schweren Stoffbahnen beiseite und blickte hinaus ins Tageslicht. Im Osten war die Sonne aufgegangen und warf ihre hellen Strahlen aufs Wasser. Es funkelte so gleißend, dass sie die Augen zusammenkneifen musste, um die Fähre zu erkennen, die gerade in Monroe ablegte, einem kleinen Nest nicht weit von Neptune’s Gate entfernt. Viel mehr als einen Gemischtwarenladen mit einem Postamt, einem Café, dessen Öffnungszeiten von der Laune des Besitzers abhingen, einem kleinen Gasthaus und einem Kiosk, umgeben von ein paar Häusern, gab es dort nicht; Monroe zählte nur siebenundachtzig Einwohner. Die wenigen Kinder, die dort wohnten, fuhren mit der Fähre nach Anchorville zur Schule, und auch der Großteil der Erwachsenen war auf dem Festland beschäftigt oder arbeitete in dem alten Hotel, das man in ein Bed & Breakfast umgewandelt hatte, die einzige Herberge auf der Insel.
Die Fähre nahm Fahrt auf und glitt mühelos über das schillernde Wasser. Ein paar unerschrockene Hobbysegler verließen den Hafen und hielten auf das offene Meer zu.
Instinktiv blickte Ava zum Anleger, dessen verwitterte Planken in der Sonne trockneten. Alles sah ganz normal aus, nichts erinnerte daran, dass sie gestern an ebendieser Stelle ihren kleinen Jungen in seinem roten Kapuzenpullover und den aufgekrempelten Jeans gesehen hatte. Heute stand niemand auf rutschigen Planken und drohte ins Wasser zu stürzen.
»Du verlierst den Verstand«, flüsterte sie.
Genau wie die anderen vermuten.
Und jetzt beeil dich. Nimm den Tag in Angriff!
Als sie sich vom Fenster abwandte, fiel ihr Blick auf ihre Morgentabletten, drei kirschrote Pillen in einem geschliffenen Glasbehälter von der Größe einer Espressotasse, der neben einem Glas Wasser stand.
Irgendwer, vermutlich Wyatt, hatte ihr die Tabletten gebracht, während sie noch schlief. Sie hatte niemanden hereinkommen hören. Ein Schauder lief ihr das Rückgrat hinunter, wenn sie sich vorstellte, was man alles mit ihr anstellen konnte, wenn sie derart weggetreten war. Sie wollte nichts schlucken, das ihre Wahrnehmung trübte, doch Wyatt und McPherson bestanden darauf, dass sie ihre Medikamente nahm, die sie angeblich so dringend brauchte.
»Unsinn«, murmelte sie, dann holte sie tief Luft, trug die elegante Tablettendose ins Badezimmer und spülte die grellroten Pillen die Toilette hinunter.
Das Wasser rauschte noch in den alten Rohren, als sie ins Schlafzimmer zurückkehrte und das Medikamentenglas auf den Nachttisch stellte.
Sie zog Jeans an und ein langärmeliges T-Shirt, durchwühlte ihren Kleiderschrank nach einem Paar abgetretener Tennisschuhe und einem grünen Fleecepullover, den sie seit Jahren nicht mehr getragen hatte. Als sie ihn jetzt überstreifte, stellte sie fest, dass er mindestens eine Nummer zu groß war.
Ihr Blick fiel auf das Twinset, das sie am Abend zuvor angehabt hatte. Hastig griff sie in die Tasche der Strickjacke und stellte fest, dass der Schlüssel noch da war. Erleichtert zog sie ihn heraus.
»Zu welchem Schloss du wohl passen magst?«, überlegte sie laut und betrachtete nachdenklich den gezackten Bart. Nichts gab einen Hinweis darauf, was er aufsperren könnte, trotzdem schob sie das kühle Stück Metall in die Vordertasche ihrer Jeans, nur für den Fall, dass ihr ein Geistesblitz käme.
Als sie ihr Zimmer verließ, fürchtete sie schon, Jewel-Anne über den Weg zu laufen, doch ihre Cousine war viel zu clever, um sich beim Schnüffeln erwischen zu lassen, und war längst davongesurrt. Vorausgesetzt, sie war tatsächlich vor Avas Tür gewesen.
In der Küche griff Ava zur Kaffeekanne und schenkte sich eine Tasse von der Mischung ein, die Virginia aufgesetzt hatte, dann nahm sie eine Serviette und ein Stück von dem
Weitere Kostenlose Bücher