T Tödliche Spur: Thriller (German Edition)
ob sie dem Mann trauen könnte, doch sie verwarf den Gedanken sogleich wieder.
Nein. Du kannst niemandem trauen. Schon gar nicht einem Fremden, den Wyatt engagiert hat. Denk immer dran: Nichts ist, wie es scheint!
Sie reckte den Hals, um den Anleger sehen zu können. Weshalb nur sah sie dort immer wieder ihren kleinen Jungen stehen?
War es ihre Furcht, die diese Wahnvorstellungen hervorrief? Oder waren es die Tabletten, die man ihr verschrieben hatte?
Sie
wusste,
dass ihr Sohn nicht von der Pier verschwunden war, weshalb also war sie derart besessen von der Vorstellung, dass er auf den schlüpfrigen Planken ausgeglitten, ins Meer gestürzt und ertrunken war?
Was zur Hölle stimmte nicht mit ihr?
Nur weil die Polizei vermutete, dass Noah in die Bucht gefallen war, musste das noch lange nicht der Wahrheit entsprechen.
Sie spürte, dass sich ihr Herzschlag beschleunigte. Schnell ließ sie die Jalousien herunter, bevor sie in ihr Zimmer zurückkehrte.
Dort angekommen, ging sie ins Bad und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Über das Rauschen des Wasserhahns hinweg vernahm sie ein Klopfen an der Tür. Manchmal hatte sie den Eindruck, in ihrem Zimmer ginge es zu wie auf einem Hauptbahnhof.
»Ich komme!« Sie nahm ein Handtuch aus dem Halter, tupfte sich das Gesicht ab und trat ins Schlafzimmer, wo Graciela auf sie wartete.
»Miss Ava«, sagte sie mit ihrem einstudierten Lächeln, »Virginia lässt fragen, ob Sie Frühstück wünschen.«
»Ich werde mir später etwas holen.«
Gracielas Lächeln verschwand. »Sie lässt ausrichten, der Kaffee sei fertig.«
»Gut.« Ava wartete.
Graciela ebenfalls.
Offenbar verstand sie Avas Wink nicht.
»Ich komme gleich runter und nehme mir etwas«, wiederholte Ava. Wer war hier der Boss? Doch auch jetzt rührte sich das störrische Hausmädchen nicht vom Fleck. Ava warf das Handtuch auf das Fußende ihres Betts. »Gibt es sonst noch etwas, Graciela?«
»Sí … ja.«
Sie runzelte die Stirn und zögerte.
»Worum geht es denn?«
»Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass unten Ihr Handy geklingelt hat.«
»Mein Handy?« Ava sah sich rasch im Zimmer nach ihrem Mobiltelefon um.
»Es liegt im Foyer, neben der Tür, in Ihrer Handtasche.«
»Im Foyer?« Avas Blick wanderte zu dem Stuhl, auf den sie ihre Handtasche abends immer stellte. Seltsam, die Tasche war fort.
»Danke. Ich werde es gleich holen«, sagte sie zu dem Hausmädchen, auf dessen Gesicht sich ein wissendes Lächeln gestohlen hatte, das so viel bedeutete wie:
Ich wusste doch, dass Sie langsam, aber sicher den Verstand verlieren.
»Richten Sie Virginia einfach aus, dass ich in ein paar Minuten hinunterkommen werde …«, sagte sie, doch Graciela war schon aus dem Zimmer gehuscht. Mit einem leisen Knall fiel die Tür hinter ihr zu.
Die bist du erst mal los.
Graciela hatte nichts falsch gemacht, trotzdem hatte das hübsche Hausmädchen etwas an sich, das Ava auf die Nerven ging.
Sie konnte sich nicht daran erinnern, ihre Handtasche unten gelassen zu haben. An und für sich war das keine große Sache, nur ein weiterer Beweis dafür, dass sie nicht klar denken konnte und unter großen Gedächtnislücken litt.
Dennoch war sie sich sicher, dass die einzige Möglichkeit, wieder zu sich selbst zu finden, darin bestand, die Psychopharmaka abzusetzen. Ihr heutiger Zustand bestätigte das. Die vielen Tabletten machten sie benommen, dabei brauchte sie einen klaren Kopf, musste sich konzentrieren können, wenn sie herausfinden wollte, was es mit ihren Wahnvorstellungen auf sich hatte. Was mochte wirklich mit ihrem Sohn geschehen sein?
Schnell warf sie den Bademantel ab und schlüpfte in frische Jeans und einen locker gestrickten Pullover. Sie steckte eben den Kopf durch den Halsausschnitt, als es erneut klopfte und Demetria den Kopf zur Tür hereinsteckte.
»He!«, sagte Ava scharf. »Ich ziehe mich gerade an.«
»Oh.« Die Pflegerin murmelte eine halbherzige Entschuldigung, obwohl sie nicht im Mindesten betroffen wirkte. »Ich wollte Ihnen nur Ihre Tabletten und ein Glas Wasser bringen.«
»Stellen Sie sie bitte auf den Nachttisch.« Ava zog ihre Haare aus dem Ausschnitt und schüttelte die dunklen Locken. »Ich werde sie später nehmen.«
»Die Tabletten müssen immer zum selben Zeitpunkt eingenommen werden, wenn sie richtig wirken sollen.«
»Sie meinen, damit ich keine Stimmungsschwankungen bekomme?«
Die Pflegerin schob kaum merklich die Unterlippe vor. »Exakt«, sagte sie dann.
»Und
Weitere Kostenlose Bücher