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Tabu: Thriller

Tabu: Thriller

Titel: Tabu: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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sagen…« Sie lächelte sehnsüchtig. »Wir waren eine Clique auf der Kathedralschule. Die meisten von uns waren ziemlich verrückt. Rune. Linda. Ich. Zehn, fünfzehn Leute, ungefähr. Wir wollten uns von den anderen Gruppierungen an der Schule abgrenzen. Den Sozis. Den Freaks. Den AKPlern. Also gründeten wir eine eigene Gruppierung und nannten uns ›Der Klan‹. Ziemlich pathetisch. Wir begannen mit Meditation. Ein bisschen Hasch am Freitagabend, völlig harmlos. Dann fingen wir an, uns für Astrologie und Okkultismus zu interessieren. Wir erstellten Horoskope, veranstalteten spiritistische Séancen. Das wurde zu einer Art Lebensstil.«
    »Warum haben Sie niemandem davon erzählt?«
    »Wozu? Was spielt das für eine Rolle? Es hat ja auch keiner danach gefragt…«

3
    Die Nachmittagssonne blendete ihn, als er die Treppe zur psychiatrischen Tagesklinik Solvik hochlief. Er öffnete die schwere Tür und trat in einen Flur, der zu einem Aufenthaltsraum führte, in dem acht bis zehn Leute saßen.
    »Ann-Reidun Skard?«, fragte er aufs Geratewohl.
    Ohne ihn anzusehen, erhob sich eine magere Frau; mechanisch, wie ein Roboter, der darauf programmiert war, auf einen Namen, ein bestimmtes Wort, ein Geräusch zu reagieren. Ihr Gesicht sah aus wie ein mit Haut überzogener Totenschädel. Die Trainingsjacke hing über ihren Schultern wie an einem Kleiderbügel.
    Die arme Frau! Ein Hautsack voller Knochen und Nerven, dachte er.
    »Danke, dass Sie eingewilligt haben, mich zu treffen«, sagte er.
    Sie nickte kurz, räusperte sich, sah ihn aber nicht an.
    »Gibt es einen Platz, an dem wir uns ungestört unterhalten können?«, fragte er.
    Sie führte ihn den Flur entlang in einen leeren Raucherraum. Dort nahm sie auf einem Stuhl Platz und knetete nervös die Hände.
    »Wie lange ist es her, seit Sie Rune zum letzten Mal gesehen haben?«, fragte er.
    Sie räusperte sich erneut. »Lange, mein Gott, Jahr und Tag ist das her. Bestimmt zehn Jahre.« Ihre Stimme war heiser und gequetscht, fast tonlos.
    »Sie kennen ihn also nicht besonders gut?«
    »Nicht mehr. Wissen Sie… Aber früher waren wir viel zusammen.«
    »Sie sind auf die gleiche Schule gegangen wie er?«
    »Woher wissen Sie das? Ich war in der gleichen Klasse wie Rune und Linda. Wir gehörten zur gleichen Clique…«
    »Sie meinen den Klan?«
    »Mein Gott, dieser Humbug. Wo haben Sie das aufgeschnappt? Das war ein Spiel von Jugendlichen. Die Faszination am Übernatürlichen. Nichts Ernstes.«
    »Wie gut kannten Sie Linda?«
    Der magere Körper begann zu zittern. »Ach, wissen Sie…« Sie räusperte sich; ihr Räuspern hatte etwas Manisches.
    »Waren Sie Freundinnen?«
    »O ja, beste Freundinnen.«
    »Was haben Sie gedacht, als sie starb? Haben Sie Rune für den Mörder gehalten?«
    Wieder geriet der ganze Körper in Wallung, als sie den Kopf schüttelte.
    »Wie konnten Sie sich so sicher sein?«
    »Sicher? Doch, ja…« Wie ein Eichhörnchen begann sie, an den Nägeln zu kauen, obwohl kaum noch etwas davon übrig war.
    »Warum?«, hakte er nach.
    »Ich wusste es einfach, klar?«
    »Aber woher wussten Sie es?«
    Sie seufzte, räusperte sich und seufzte erneut. »Weil ich ihn an jenem Abend von zu Hause weggelockt habe, klar?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Er war mit mir zusammen. Bei einer Séance. Linda hatte mich darum gebeten.«
    »Das verstehe ich nicht…«
    »Sie hatte einen Freund, klar? Von dem Rune nichts wissen sollte. Sie wissen schon… Ich habe ihr geholfen, indem ich ab und zu mit Rune ausging, klar?«
    »Sie hatte einen Freund? Einen Liebhaber?«
    »Was heißt Liebhaber… Wie auch immer, es war ihre Entscheidung, klar?«
    »Wer war er?«
    Sie breitete die Arme aus. »Das wollte sie nicht sagen. Nicht einmal mir.«
    »Warum haben Sie der Polizei nichts davon erzählt?«
    Sie zuckte zusammen, als hätte er ihr ins Gesicht geschlagen. Es sah aus, als wollten ihr gleich die Augen aus den Höhlen treten. An der Schläfe pochte eine dicke Ader.
    »Ich war nicht ganz bei mir, klar? Ungefähr zeitgleich mit Lindas Tod begann das hier…« Wie zur Erklärung streckte sie die skelettartigen Arme vor. Es kostete sie Mühe, die Beherrschung wiederzugewinnen. »Als Linda starb, hatte ich einen … Zusammenbruch. Die Nerven. Ich wurde eingewiesen. Als ich wieder gesund war…«, sie lachte ironisch, um zu unterstreichen, dass gesund vielleicht nicht ganz der treffende Ausdruck war, »…stand Rune längst nicht mehr unter Verdacht. Der Fall war abgeschlossen. Linda hatte

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