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Tabu: Thriller

Tabu: Thriller

Titel: Tabu: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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Spaß.
    Oder gehörten sie zu denen, die den Morgen vorzogen? Manch einer brauchte erst mal eine Mütze Schlaf, ehe er sich einen Fick gönnte. Leif grinste – er würde morgen früh noch einmal vorbeischauen. Jetzt hatte er keine Lust mehr, noch länger da zu stehen und zu spannen. Zu Hause warteten wenigstens ein paar Videos und Zeitschriften.

21 Uhr 45
    Das Rauschen der Stromschnellen erfüllt ihn mit Ehrfurcht. Statt des gepflasterten Wegs wählt er den Naturpfad, der sich dicht am Fluss entlang nach unten zum Wasserfall windet. An einigen Stellen ist der Pfad so schmal, dass er sie führen muss, damit sie nicht das Gleichgewicht verliert und in den Fluss stürzt. Es ist ein magisches Gefühl, ihre Hand zu halten und ihre Haut zu spüren, die Wärme; zu fühlen, wie sie ihre Muskeln anspannt, um nicht den Halt zu verlieren. Ein Prickeln, das sich von der Hand in seinen ganzen Körper ausbreitet.
    Irgendwann müssen sie zurück auf den gepflasterten Weg, um dann über die Schiefertreppe zu der Plattform zu gelangen, von der aus man den Schwindel erregenden Wasserfall einsehen kann. Von dort aus kann man beobachten, wie sich die herabstürzenden Wassermassen teilen und in einer Gischtwolke auflösen. Die Aussichtsplattform ist mit fünf dicken Betonsäulen verankert, die schräg über dem Abgrund stehen. Wenn man sich über das Geländer lehnt, kann man senkrecht nach unten schauen.
    Das Gefühl behagt ihm.
    Er filmt sie am Geländer, aber das Licht ist bereits grau und matt, so dass er sich entschließt, mit den weiteren Aufnahmen bis zum nächsten Tag zu warten. Gegen Mittag, wenn das Licht scharf ist, kann er mit ihr vielleicht bis zum Fuß des Wasserfalls hinuntergehen. Er zieht sie mit sich zu der Reihe von Tischen aus grob zugehauenen Stämmen. Sie sind allein. Das Dröhnen des Wasserfalls ist beruhigend, ewig während.
    »Bist du hier noch nie gewesen?«, fragt er.
    Sie schüttelt den Kopf.
    »Ich war schon mal hier«, sagt er. »Vor langer, langer Zeit.« Er weiß nicht, ob das stimmt oder bloß ein Traum ist. Aber er hat ein ganz deutliches Bild von seiner Mutter an einem Geländer vor einem Wasserfall im Kopf.
    »Warum filmen Sie mich die ganze Zeit?«, fragt sie.
    Die Frage kommt überraschend. Er ist irritiert. Er mag keine überraschenden Fragen.
    Weil ich einen Plan habe, hätte er sagen können. Weil ich vorhabe, dich mit in meinen Keller zu nehmen, zu der Matratze, die dort auf dich wartet. Du hast sie ja bereits auf den Videobändern gesehen. Dann werde ich die Videokassetten an deinen Sender schicken. Mit Aufnahmen von dir. Eine nach der anderen, eine ganze Serie. Das ganze Land soll es sehen. Die große Jagd auf Kristin Bye. Wo sie heute wohl ist? Ja, wenn man das nur wüsste! Mutter, bring Kaffee und Plätzchen, jetzt kommen die Nachrichten mit dem Rätsel des Tages! Die Aufnahmen sollten möglichst schwer zu lokalisieren sein. Wald und Berge. Das könnte überall sein. Andere dürfen ruhig etwas mehr verraten. Der Wasserfall. Eine Bergspitze. Ein Bauernhof. Kennst du den Wettbewerb in der Sendung »Quer durch Norwegen«? Stell dir so eine Show vor. Mit dem Leben als Spieleinsatz und dir als Hauptperson.
    All das hätte er ihr sagen können.
    Aber er sagt nichts.
    »Haben Sie vor, mich zu töten?«, fragt sie.
    Er sieht ihr in die Augen. »Wenn du solche Fragen stellst, bekomme ich sehr große Lust, das zu tun.«
    Er sagt das eher im Spaß, sieht ihr aber an, dass sie es ernst nimmt.

22 Uhr 10
    Gemächlich wie ein Liebespaar schlenderten sie vom Wasserfall zurück.
    Der Abend war mild, der Wald voller Geräusche. Dieses Mal wählten sie den breiten Weg, aber trotzdem nahm er ihre Hand. Er wollte wohl, dass sie wie Verliebte aussehen, sollte ihnen jemand entgegenkommen. Aber seit sie bei diesem untersetzten Kerl am Kiosk den Schlüssel geholt hatten, war ihnen niemanden mehr begegnet.
    Es fühlte sich seltsam an, Hand in Hand mit einem Mann zu gehen, der Gott weiß wie viele Frauen umgebracht hatte. Sie schielte zu ihm hinüber. Wie konnte man nur in dem einem Augenblick so nett und verletzbar wirken und sich im nächsten in einen rücksichtslosen Folterer und Mörder verwandeln? In jemanden, der das Leiden seiner Opfer verlängerte, indem er sie gefangen hielt und filmte, auf bestialische Weise ermordete und ihre Andenken durch das Ausstrahlen der Bilder im Fernsehen in den Dreck zog?
    In den wir sie dann noch tiefer treten, dachte sie.
    In einigen der Hütten brannte Licht. Sie standen da

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