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Tabu: Thriller

Tabu: Thriller

Titel: Tabu: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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dass der Täter um die dreißig ist, irgendwo zwischen fünfundzwanzig und fünfundvierzig.«
    »Wie die meisten von uns«, bemerkte ein NTB-Mitarbeiter und erntete Beifall und Gelächter von seinen Kollegen.
    »Wir glauben, er ist ein einsamer Wolf, nicht verheiratet. Wahrscheinlich lebt er alleine. Möglicherweise bei seinen Eltern oder einem Elternteil. Nach außen wirkt er verschlossen und verschroben, vielleicht aber auch sympathisch und hilfsbereit. Wenn wir ihn finden – und damit meine ich den Zeitpunkt, nicht die Möglichkeit -, werden alle, die ihn kennen, verblüfft sein, weil ihm niemand zugetraut hätte, der unbekannte Mörder zu sein.«
    Vang machte eine Pause. Er atmete tief durch und blätterte in den Unterlagen auf dem Tisch. Es war so still, dass Kristin das Rascheln der Blätter hören konnte.
    »Er kämpft mit einem schweren, persönlichen Trauma, das er nicht unter Kontrolle hat. Die Tatsache, dass er sein Opfer über einen so langen Zeitraum verfolgt und observiert hat, zeigt, wie wohlüberlegt und gründlich vorbereitet die Tat war. Unser Mann tötet nicht im Affekt oder impulsiv. Der Mord war genauestens geplant. Wir haben gute Gründe, ihm die etwas abgegriffene Bezeichnung ›Psychopath‹ anzuheften. Die Psychologen sind nicht einverstanden mit dieser Bezeichnung, aber lassen Sie uns trotzdem daran festhalten, ihn einen Psychopathen zu nennen.«
    Vang ließ den Blick über die Versammlung schweifen, ehe er fortfuhr.
    »Lassen Sie mich Ihnen eine genauere Definition des Terminus ›Psychopath‹ geben. Viele glauben, ein Psychopath wäre das Gleiche wie ein Wahnsinniger. Das Gegenteil ist der Fall! Ein Psychopath ist nach außen häufig ein leistungsstarker Mensch. Er sucht Macht. Er ist intelligent und häufig extrem eloquent und charmant. Oft ist er der soziale Mittelpunkt. Es kann eine ganze Weile dauern, bis seine Umgebung zu ahnen beginnt, dass etwas nicht stimmt. Er manipuliert. Er blufft. Er lügt. Er bauscht die kleinste Bagatelle zu ungeahnten Dimensionen auf. Er ist der Erste, der deinen empfindlichsten Punkt findet. Und er hat die Tendenz, die Schuld an allem auf andere zu schieben, auf dich, die Gesellschaft, das Opfer. Er kann brutal und skrupellos sein und frei von jeglichem Mitleid und Einfühlungsvermögen. Wenn der Psychopath beginnt, die Kontrolle über sich selbst zu verlieren, kann er gefährlich werden. Weil es für ihn keine moralische Bremse gibt. Intellektuell betrachtet, weiß er, dass das, was er tut, falsch ist, aber er spürt keinerlei Reue. Keine Empathie. Es sind die anderen, mit denen etwas nicht stimmt. Er betrachtet sein Opfer, wie wir eine Mücke oder eine Fliege betrachten, ehe wir sie erschlagen.«
    Vang warf einen Blick auf eine eingebildete Mücke auf seiner Hand.
    Ein geschickter Schauspieler!, dachte Kristin.
    »Doch etwas macht diesen Psychopathen gefährlicher als die meisten anderen Mörder: Er sucht Aufmerksamkeit. Bestätigung. Herostratischen Ruhm. Er will Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit sein. Der Furcht der Öffentlichkeit. Und das erreicht er, indem er mordet.«
    Vang schwieg und ließ erneut den Blick über die Journalistenschar gleiten. Ein Fotograf schoss in blitzartiger Folge eine Reihe Bilder.
    »Unser Mann verstärkt den Effekt, indem er bewusst die Medien nutzt. Vor zehn, zwanzig Jahren hätte er Briefe und Fotos an eine Zeitung geschickt. Die Zeiten haben sich geändert. Also schickt er stattdessen Videoaufnahmen seiner Opfer an einen Fernsehsender. Er filmt sie, bevor er zuschlägt. Er filmt sie in der Gefangenschaft. Er filmt sie, während er sie umbringt. Aber er selbst bleibt anonym und damit geschützt. Während seine Taten es zu öffentlichem Ruhm bringen. Verstehen Sie? Mithilfe der Videokamera stellt er eine Distanz zu uns her. Er kann in seiner dunklen, sicheren Höhle bleiben, während er die Welt aus den Angeln hebt. Auf diese Weise kann er es genießen, im Mittelpunkt zu stehen, derjenige zu sein, der die Gesellschaft zum Handeln zwingt, der ihr Angst macht, ohne die Belastung auf sich zu nehmen, sich selbst, seine Gefühle, seine Identität auszuliefern.«
    Vang holte wieder tief Luft und blätterte in seinen Unterlagen.
    »Die Bibelzitate deuten auf religiöse Verwirrung hin. Entweder ist er krankhaft von einer religiösen Idee besessen, oder er nutzt die Religion nur als Werkzeug für seine Wahnvorstellungen. Durchaus denkbar, dass er religiös aktiv ist, aber wahrscheinlicher ist, dass er ein angespanntes

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