Tabu: Thriller
an. Mit einem an Patrick gewandten »Entschuldigung, ich verspreche Ihnen, sie nicht zu töten« kam er herein und schloss die Tür hinter sich.
»Das ist echt abgedreht«, sagte Skaug und schob seinen Hintern auf den Schreibtisch. »Sie war eine von mehreren Nonnen aus Aix-en-Provence, die von Dämonen besessen waren.« Er schnitt eine vielsagende Grimasse. »Na, was sagt ihr jetzt? Dämonen! Ihr Fall wird in theologischen Schriften beschrieben, findet sich heute aber hauptsächlich in psychiatrischen Werken. Sie war anscheinend von diesem… Beelzebub besessen. Hatte wilde Träume, ich sag’s euch, über Sodomie und Kannibalismus. Eine Nonne! Und bekam krampfartige Anfälle, bei denen sie sich auf den Boden warf und ihre edelsten Teile entblößte.«
»Wer ist dieser Beelzebub?«
»Der Fürst der Dunkelheit«, sagte Kristin.
Die Worte blieben in der Luft zwischen ihnen hängen.
»Ich verstehe einfach nicht, warum er mich gefilmt hat«, sagte sie.
»Weil er demonstrieren will, wie verletzbar du bist.«
»Und wie verletzbar bin ich?«
Sie sahen einander an.
2
Die Polizisten fuhren sie nach der Arbeit in einem schwarzen Volvo mit getönten Scheiben nach Hause. Auf dem Boden vor dem Beifahrersitz lag ein magnetisches Blaulicht.
Sie führte die Beamten durch die Wohnung. Die Männer waren wortkarg und ernst. Wahrscheinlich hatten sie diesen Auftrag als eine Art Disziplinarstrafe erhalten. Aus dem Leim gegangene Babysitter mit schusssicheren Westen. Sie überprüften Fenster und Türen, spähten mit Ferngläsern hinunter in den Park und seufzten gelangweilt.
Im Laufe des Nachmittags rief sie Halvor an und erzählte ihm, was geschehen war. Sie hörte seiner Stimme an, wie besorgt er war, und versuchte, die Bedrohung zu bagatellisieren.
»Der will so nur noch mehr Aufmerksamkeit«, sagte sie. Und noch mehr Aufmerksamkeit wird er bekommen, wenn es ihm wirklich gelingt – wenn er mich kidnappt, mich in ein weißes Nachthemd steckt, an der Wand festkettet und auf der Matratze filmt.
»Willst du nicht nach Hause kommen, Schwesterherz? Hier wird er dich nie finden.«
Sie hatte den Hof nie als ihr Zuhause empfunden, nicht so, wie er es für Halvor war. Sie waren in Oslo aufgewachsen, und der mütterliche Hof in Juvdal war für sie immer nur ein Ferienort gewesen. Halvor hingegen war dorthin gezogen und hatte den Hof übernommen, als Großvater nicht mehr konnte, und inzwischen hatte er sogar den dortigen Dialekt angenommen.
Sie berichtete von den Polizisten, die auf sie aufpassten, und erklärte ihm, dass sie in der Stadt doch sicherer sei als auf einem Bauernhof in einem abgelegenen Tal. Aber sie versprach ihm zu kommen, sobald alles ausgestanden war.
Als sie auflegte, dachte sie: Wann das wohl sein wird?
Um einundzwanzig Uhr – sie registrierte etwas abwesend, dass sie auch in den TV2-Nachrichten die Hauptmeldung war – wurden Patrick und Claes von zwei jüngeren Kollegen, Gustav und Ådne, abgelöst. Sie waren vom gleichen Typ, hatten aber trotzdem mehr Feuer und wenigstens ein bisschen Humor. Gustav konnte fabelhaft pfeifen. Sie ertappte Ådne dabei, dass er sie unentwegt anstarrte, und als sie zu Bett gehen wollte, fragte er schelmisch, ob sie sich so ganz allein auch sicher fühle. Dankend versicherte sie ihm, dass sie das durchaus täte. Sosehr Ådne das auch im Spaß gesagt hatte, hatte er damit doch eine unsichtbare Grenze überschritten. Schließlich erinnerte er sie daran, dass sie eine Frau war und er ein Mann, sie verletzbar und er der Beschützer, und nicht zuletzt daran, dass die Polizei jetzt ihre rot-weißen Absperrbänder um ihre innerste Privatsphäre gezogen hatte.
Sie duschte, bevor sie zu Bett ging, dann zog sie einen Slip und ein weites T-Shirt an. Bevor sie das Rollo hinunterließ, blieb sie einen Moment am Fenster stehen und blickte über den Birkelundenpark. In der Mitte stand ein Pavillon mit griechischen Säulen.
Sie zog das Rollo nach unten, trat zwei Schritte zurück und ließ sich nach hinten aufs Bett fallen.
Die Tränen kamen plötzlich. Mit zusammengebissenen Zähnen versuchte sie, sie zurückzudrängen. Sie wollte keine Heulsuse sein. Wollte nicht zulassen, dass er ihr eine solche Angst einjagte. Aber sie konnte einfach nicht aufhören zu weinen.
3
Sie wusste nicht, wie lange sie geschlafen hatte, als sie die Augen aufschlug. Es war dunkel. Durch das Rollo erkannte sie die Konturen des Fensters. Irgendetwas hatte sie geweckt. Sie lag reglos da und lauschte in die
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