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Tabu: Thriller

Tabu: Thriller

Titel: Tabu: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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ihn in einem dunklen Zimmer vor. Ein Mann in einem weißen Hemd. Sie sah ihn mit einer unangezündeten Zigarette. Einem Glas Whisky. Sie dachte an ihren Vater. So stellte sie sich ihn vor. Eine Vaterfigur.
    »Hast du Angst bekommen, als du den Film gesehen hast, den ich von dir gedreht habe?«
    »Ja.«
    »Das dachte ich mir.«
    »Warum wollen Sie mir nicht erzählen, von was für Symbolen Sie reden?«
    »Das spielt keine Rolle. Ich habe mich bloß gefragt, warum die Polizei sie bisher zurückgehalten hat.«
    Sie umklammerte das Handy noch fester.
    »Haben Sie vor, mich umzubringen?«, fragte sie.
    Sie konnte ihn atmen hören.
    Auf jeder Seite der Gardine schimmerte ein Streifen bleiches Licht. Der Raum war voller farbloser, kalter Silhouetten. Unten auf der Straße startete ein Auto. Weit, weit entfernt johlten ein paar Jugendliche. »Weißt du, wie ich Marianne umgebracht habe?«
    Sie schluckte. »Sie wurde ertränkt. Soweit ich weiß.«
    Er kicherte. Hörte sich mit einem Mal wie ein Kind an. »Ins Schwarze getroffen.«
    »Ich habe keinen Film bekommen.«
    »Video«, korrigierte er sie.
    »Ich habe kein Video bekommen.«
    »Dann freu dich doch.«
    Aus dem Wohnzimmer war die Erkennungsmelodie der CNN-Nachrichten zu hören.
    »Wer sind Sie?«, fragte sie.
    Er lachte.
    Sie hob die Stimme: »Ich habe eine Frage. An Sie.«
    »Ja?«
    »Warum… in Gottes Namen, töten Sie diese unschuldigen Menschen?«
    Es hörte sich an, als atmete er durch die Nase. Er machte ein schmatzendes Geräusch mit den Lippen. Bestimmt unbewusst, dachte sie. Eine schlechte Angewohnheit. Etwas, das sie sich merken musste.
    »Was für eine Antwort erwartest du?«, fragte er. Dann fügte er hinzu: »Typisch Journalistin! Ihr glaubt, dass es auf jede Frage eine Antwort gibt.«
    Ein Motorrad beschleunigte unten auf der Straße.
    »Bereitet es Ihnen Freude, Ihre Filme im Fernsehen zu sehen?«, fragte sie.
    »Dir etwa nicht?«
    »Würden Sie… wenn wir Ihre Filme nicht mehr zeigen würden… würden Sie dann mit dem Töten aufhören?«
    »Aufhören? Kristin, es gibt andere Sender. Es gibt Zeitungen.«
    Ihr Name aus seinem Mund ließ sie erschaudern.
    »Mein Gott, warum tun Sie das?«
    »Betrachte mich als eine giftige Schlange. Ich töte, und dann verschwinde ich wieder im Dschungel.«
    »Ohne Reue«, sagte sie.
    Er lachte kalt.
    »Sie spielen doch!«
    Er erwiderte nichts.
    »Sie spielen Theater. Sie verstellen sich für mich. Tun so, als wären Sie verrückt! Das sind Sie in der Tat! Trotzdem bluffen Sie.«
    Er sagte nichts. Machte aber wieder dieses schmatzende Geräusch.
    »Ich weiß nicht, was Ihr Problem ist. Aber Sie brauchen sich nicht zu verstellen.«
    »Du bist ja spitzfindig.«
    »Sie doch auch. Also, lassen Sie uns vernünftig miteinander reden. Seien Sie Sie selbst.«
    »Wenn du mich so freundlich darum bittest.«
    »Können Sie mir versprechen aufzuhören?«
    »Aufhören?«
    »Hören Sie mit dem Morden auf. Stellen Sie sich der Polizei!«
    Er lachte laut.
    »Das ist nicht witzig«, rief sie. »Lassen Sie es sein. Erkennen Sie denn nicht, was Sie da tun?«
    Das Lachen erstarb. Er räusperte sich. »Natürlich«, sagte er. »Ich erkenne sehr wohl, was ich tue. Aber du bittest mich, rational zu sein.«
    Die Tür des Schlafzimmers öffnete sich langsam. Ådne und Gustav sahen sie an. Er?, fragte Ådne stumm mit den Lippen. Kristin nickte.
    »Aber ich bin nicht rational. Ich werde von den gleichen Impulsen gesteuert wie du. Nur dass in mir gewisse Dinge stärker ausgeprägt sind als bei dir.«
    Die Polizisten kamen ans Bett geschlichen. Gustav setzte sich auf die Bettkante und beugte den Kopf zum Hörer. Ådne warf ihr das T-Shirt zu, das auf dem Boden lag. Erst jetzt ging ihr auf, dass sie nur im Slip dasaß.
    »Warum haben Sie mich gefilmt?«, fragte sie.
    »Weil«, sagte er, und sie erkannte an seiner Stimme, dass er lächelte, »ich will, dass du weißt, wie nah ich dir kommen kann.«
    »Aber warum ich?«
    »Das wirst du noch verstehen.«
    Es lief ihr kalt den Rücken herunter.
    »Schlaf gut«, flüsterte er.

6
    Vang war eine knappe Stunde später vor Ort. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie Ådne und Gustav bereits mindestens viermal alles erzählt, woran sie sich von dem Gespräch erinnerte. Zuerst war sie verärgert darüber, alles wieder und wieder sagen zu müssen, doch mit jedem Mal waren ihr weitere Kleinigkeiten eingefallen, und als sie nun für Vang, unterstützt durch Gustavs Notizen, das Gespräch wiedergab, war dieses verblüffend

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