Taenzer der Nacht
hinausblickte, „aber es will mehr, als Estee Lauder geben kann, das arme Kind. Liest statt dessen Sankt Augustin. Er ist wirklich der perfekte Partner für John Schaeffer, der, wenn er noch ein einziges Buch liest, sich den Teint endgültig ruiniert.“
„Na gut“, sagte er und drehte sich um, um die Gla dio len und die weiße Kapuzinerkresse mehr nach seinem Geschmack zu arrangieren. „Liebling, ist etwas Perrier im Kühlschrank?“ fragte er und holte eine Pille aus seiner Dose. „Mutti muß jetzt einen kleinen Mit tags schlaf halten.“
Er ging zu der Glaswand und starrte hinaus auf die Körper, die am Strand auf der anderen Seite einer Sand düne in der trockenen, brennenden Hitze brut zel ten. „Ihr meint also nicht, daß sie sich so verbrennen lassen, daß sie schlechter Laune sind und mit einer Stimmung kommen, die kocht wie ihre Haut. Na ja“, seufzte er und drehte sich um, um die polierte Frei trep pe hinaufzusteigen, wobei seine zerbrechliche Ge stalt von einem halben Dutzend verspiegelter Wände reflektiert wurde, „wenn sie in diesem Alter sind, kann man sie nicht mehr zwingen, aus der Sonne zu kom men und ihren Mittagsschlaf zu halten ... was vernünf tige Mädchen aus R ichmond von Kindesbeinen an tun ...“ Seine Stimme erstarb, und er drehte sich auf dem Absatz um, um den Raum unter sich zu betrach ten, während er sich mit einer Hand die Ohrclips abzog. „Wißt ihr eigentlich, was es wirklich heißt, Mutter zu sein? Ein Kind aus dem Mutterleib auf die Welt zu bringen, und dieses Kind aufzuziehen, sich um seine Zähne zu kümmern, um die Klavierstunden, die erste Periode? Den besten Französischlehrer zu finden, die besten Spielkameraden, die besten Schulen. Gegen alle Vernunft zu hoffen, daß es schön, unter haltsam und klug wird? Und dann mit anzusehen, wie sie den Millionär zurückweist, den man ihr ausgesucht hat? Wenn ihr wüßtet, wie sehr John Schaeffer leidet!“ seufzte er. „Malone sagte, der einzige Grund, warum er diese Geschichte heute abend mitmacht, ist, daß er hofft, John lernt jemand anders kennen und verliebt sich in den. Der Grund natürlich, aus dem jeder auf diese Insel kommt. O Herr, was sind die Sterblichen doch für Narren!“ seufzte er. „Weckt mich nur im äußersten Notfall. Im übrigen möchte ich schlafen und die volle Wohltat meiner Feuchtigkeitspackung ge nießen!“ Und damit drehte er sich um und verschwand in einer Woge weißer Vorhänge und murmel te etwas über die Geister vergangener Parties.
Während sich Sutherland der weißen Pille hingab, die er der kleinen Silberschachtel entnommen hatte, kamen Säcke voller Eis in Schubkarren vom Lebens mit telladen herübergerollt, und dieLieferanten bauten ihre Stände in den ganzen Räumen auf. Draußen leer ten sich die Strände, und die Leute gingen nach Hause, um ihre Kostüme fertig zu machen, und die schöne Dämmerung senkte sich ganz unbemerkt über das Meer. Für die Wasserflugzeuge, die sich aus dem vio letten Himmel auf die Insel senkten, glühte sie ein letztes Mal in den Strahlen der in der Great South Bay untergehenden Sonne auf. Das goldene Dünengras fing noch ihr Licht auf und leuchtete in hellerem Gold als der Rest der Insel, der in blaues Licht und Gerüchte von Selbstmord getaucht dalag. Dieser einzigartige Son nenuntergang dauerte gerade so lange, wie Malone plaudernd am Hafen saß, und die in Wasserflug zeu gen herankommenden Leute konnten fast hören, wie das sanfte Murmeln des Klatsches von den Stechpal men aufstieg. Jeder im Tea Dance sprach über den Jungen, der am Nachmittag von einem Dach in der Stadt in den Tod gesprungen war, und als das Thema erschöpft war, über die Liebesaffären in der Woche zuvor, die neu aufgetauchten Gesichter, die Musik gestern nacht, die Party heute abend, und – zuletzt in dem Kreis, der mit Malone am Hafen saß, als ich mich zu ihm gesellte – über den Plan, nach der Party zurück in die Stadt zu fliegen, um noch in die Everard Sauna zu gehen. Bevor sie nach Hause gingen, um einen Cocktail zu nehmen, hatten sie noch Malone überredet, mit ihnen zu kommen.
Aber sobald sie weg waren, schaute mich Malone lächelnd an und zuckte nur mit den Schultern: froh, schweigend den Himmel zu betrachten, wie er lang sam milchig blau wurde, und die weißen Türme und Segel über der Bucht, ohne die Forderungen und Be dürfnisse anderer Leute. Ein tiefer Frieden legte sich auf uns. Wir konnten kaum noch etwas zueinander sagen, weil wir das alles schon so viele
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