Tänzerin der Nacht - Feehan, C: Tänzerin der Nacht - Night Game
Niederfrequenzgeräusche, deren Reichweite er auf die Standorte begrenzte, an denen er die einzelnen Männer am ehesten vermutete, in Richtung der Schützen aus. Die Schallwellen konnten bei jedem Lebewesen, auf das sie trafen, mühelos ein Trauma wie das auslösen, das durch einen stumpfen Gegenstand hervorgerufen wurde, oder sogar den Tod herbeiführen. Er hatte selbst gesehen, wozu es führen konnte, als er dieses eine Mal die Kontrolle über sich verloren hatte, und der Anblick der Folgen hatte ihn krank gemacht. Er hatte sich gelobt, nie wieder Geräusche als Mordinstrument einzusetzen, es sei denn, er hatte tatsächlich keine andere Wahl. Die Alpträume hatten ihn nie losgelassen, und bald würde ihm die Nachtangst gewaltig zusetzen, da er die Waffe erneut benutzte.
Er hörte mehrfaches Würgen, während um ihn herum auf allen Seiten Kugeln in Bäume einschlugen. Weiteres Erbrechen. Husten. Der nächste Kugelregen. Die Jäger feuerten blind drauflos, doch ihre Instinkte waren gut. Etliche Kugeln zersplitterten Äste um seinen Kopf herum. Holzsplitter drangen in seine Haut ein. Gator ließ sich auf den Bauch fallen und begann sich durch das Gras und das Gestrüpp dahin zu schlängeln, wo die meisten Schüsse herkamen. Er glaubte, vielleicht seien es drei Männer. Jedenfalls waren es nicht mehr als vier, und mindestens zwei von ihnen blieben dicht zusammen.
Die Geräusche endeten abrupt. Die Jäger hatten sich wieder unter Kontrolle, und einer von ihnen schirmte sie ab, überdeckte die Herzschläge seines Teams auf dieselbe Weise, wie Kaden es für die Schattengänger tat. Das Katz-und-Maus-Spiel
hatte jetzt im Ernst begonnen. Sie wussten alle, dass es für jeden von ihnen um Leben und Tod ging. Sie konnten sich keine Fehler leisten. Gator bewegte sich mit grenzenloser Geduld und Vorsicht voran, da er nicht mit Sicherheit sagen konnte, woran er bei seinen Gegnern war und inwieweit sie genetisch weiterentwickelt worden waren.
Peter Whitney hatte zu Beginn Waisenkinder aus diversen Ländern mitgebracht und an ihnen experimentiert. Niemand hatte geglaubt, er hätte sein Experiment wiederholt, bis er es vor ein paar Jahren, unterstützt vom Militär, wieder aufgenommen hatte – aber dann hatten sie festgestellt, dass sie nicht die Einzigen waren. Es hatte eine zweite militärische Einheit gegeben. Es musste noch eine dritte geben. Hatte Whitney seine eigene private Kampftruppe erschaffen? Allmählich sah es ganz so aus. Und wenn Peter Whitney tot war, wer befehligte sie dann, und was waren seine Ziele?
Gator sandte eine weitere Schallexplosion aus und gleichzeitig ein stummes Gebet, Flame möge da geblieben sein, wo er sie zurückgelassen hatte, und sich nicht im Zielbereich befinden. Er musste dafür sorgen, dass sich die Jäger nicht orientieren konnten, dass ihnen übel war und dass sie ständig in Bewegung blieben. Er wollte ihnen keine Chance geben, ihn zu umzingeln, und er wollte sie aus dem Innern der Insel herauslocken und sie zum Sumpf drängen. Die Ränder der Insel waren weitaus schwammiger und heimtückischer. Seine Vertrautheit mit dem Bayou gab ihm einen enormen Vorteil gegenüber seinen Feinden.
Er sandte Impulse durch den dünnen Bodenbewuchs, um zu finden, was er brauchte. Wenn man genetisch verbesserten
Soldaten eine Falle stellen wollte, musste man mit äußerster Präzision vorgehen, und das exakte Timing war entscheidend; der Wind brauchte nur ein wenig zu drehen, und schon wussten sie Bescheid. Jede Kleinigkeit konnte einen verraten. Als er fand, wonach er gesucht hatte – eine Stelle, wo in Hohlräumen unter einer dünnen Bodendecke das Grundwasser nur so stand –, arbeitete er sich etwa drei Meter weit vor und knickte vorsätzlich ein Blatt und die Spitze eines Halms ab. Er ließ mit seinem Absatz eine sehr schmale Schleifspur im Schlamm zurück und ein paar Schmutzspritzer auf einem Felsen. Er fand einen hohlen Schilfstängel und schnitt die Enden ab, bevor er eine weitere Schallwelle aussandte, die er diesmal auf der Suche nach Alligatoren auf das Wasser und das Ufer richtete.
Gator blieb ausgestreckt im Schlamm liegen und wartete. Der Regen fiel unaufhörlich und ließ den ohnehin schon hohen Grundwasserspiegel noch mehr steigen. Nach wenigen Minuten hörte er ein Rascheln, mit dem Kleidungsstücke Pflanzen streiften. Die Abschirmung wurde weniger effektiv, als die beiden Männer zur Inselmitte zurückeilten. Fast augenblicklich setzte ein Knurren und Gebrüll ein. Er vernahm das
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