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Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Titel: Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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klasse. Jetzt nenne mir einen einzigen Grund, warum ich dir helfen sollte, statt dich an die Wand zu klatschen.«
    Sein lippenloser Mund verzog sich zu einem schiefen Lächeln, das eine Reihe schlickbedeckter Zähne zeigte. »Ch-che, che«, stieß er hervor, was Menschen vermutlich für ein Lachen gehalten hätten. Sein feuchter Atem roch nach abgestandenem Wasser und W C -Stein. Mit Zitronen-Frischeduft, wenn sie sich nicht irrte.
    Sie trug ihn zu einer Kabine und ließ ihn ins Klo plumpsen. Im Nu verschwand er im Abfluss, doch in der zurückbleibenden Trübung des Wassers glaubte sie immer noch sein Gesicht zu sehen. »Ein Danke habe ich auch nicht erwartet.«
    Sie kehrte zu ihrem Eimer zurück. Kaum eine Minute später plätscherte es wieder in einer der Schüsseln. Ein Schwall Wasser musste sich aus dem Klo ergossen haben, denn unter der Tür breitete sich eine Pfütze aus.
    Mit dem Griff ihres Wischmobs stieß sie die Tür auf. Doch ein verspätetes Dankeschön? Von wegen. Kein Wodjanoi, nur eine Wasserlache.
    Sie hatte die Sauerei gerade weggewischt, als es drei Kabinen weiter erneut plätscherte. Nasser Boden, auch dort, sonst nichts.
    »Ja«, stöhnte sie und lehnte die Stirn gegen den Stiel. »Ich lerne es wohl nie. Hilf niemandem, dann braucht auch dir nicht geholfen zu werden.«
    Als sie aus der Kabine trat, erwartete sie der Wodjanoi in einem Pissoir. Er hatte sich mit den Armen am Rand abgestützt und den Oberkörper etwas vorgebeugt, bereit, sogleich abzutauchen und einen Schwall Wasser auf den Fliesen zu hinterlassen. Aber das tat er nicht.
    Stattdessen grinste er sie an. »Ich kann dir verraten, warum alle haben sich aufgeregt heute.«
    Sie ignorierte ihn und setzte ihre Arbeit fort.
    »Echt krass. Und kostet dir nur Kleinigkeit.«
    Ja, sicher. Es war wie mit den Hütchen – am besten sollte sie erst gar nicht darauf eingehen. »Lass stecken. Jede Wette, ich erfahre es morgen auf deiner Twitterwall.«
    »Dawai! Ne lomaisja, milaja! Du gibst mir nur, was du nicht kennst in dein eigenes Haus. Was denkst du? Ist guter Deal? Wirst du nicht einmal vermissen, ich sage Wahrheit!«
    In wessen Klo ein russischer Wassergeist lebte, sollte in der russischen Märchenwelt bewandert sein. Müde von dem Gequassel, stützte sie sich auf den Wischmob. »Vergiss es. Außerdem: Enya ist nicht schwanger, ich ebenso wenig, du wirst also kein Neugeborenes von uns versprochen kriegen.«
    »Bist du ganz sicher? Oi, oi. Aber was ich soll auch mit ein Neugeboren?« Er schürzte den Mund und spuckte eine Wasserfontäne auf die Fliesen. »Gut, verrat ich dir auch so. Weil ich bin netter Wassergeist. Weißt du, ich habe belauscht …«, er machte eine Pause und ließ verschwörerisch die Hände mit gespreizten Fingern wie einer dieser menschlichen Pseudozauberer kreisen, die ihr Publikum abzulenken versuchten, »wie hat erzählt diese widerlich schöne Visage, dass gestern Nacht wurde ermordet Seherin.«
    »Und?« Das alles ging sie überhaupt nichts an. Nicht mehr.
    »Ai – bist du Tröte? Du hast nicht kapiert? Seherin! Oda!« Er wurde immer lauter, wie die meisten Ankömmlinge aus slavischen Gebieten. »Hat man ihr rausgerissen bei lebendigem Leib die Augen. Hat gemacht ein – halt dich fest jetzt! – Gluhschwanz. Hab ich gehört, dass die Augen haben noch herumgeguckt wie wild, als der ist abgedüst damit durch das Schornstein.«
    Oda! Die einzelnen Puzzlesteinchen fügten sich zu einem allzu vertrauten Bild zusammen. Herausgerissene Organe, die danach noch funktionierten. Starke Magie, überaus starke Magie! Und daneben … ein Gluhschwanz. Ein niederes Fabelwesen, das sich normalerweise nicht durch solche Taten auszeichnete. Früher war es erschienen, wenn jemand für einen Diebstahl oder eine Unehrlichkeit bestraft werden sollte. Ein glühender Drache, eher von der kleineren Sorte, mit einem langen, kometenähnlichen Schwanz. Aufrichtigen Leuten brachte er Geld und Korn. Das Schlimmste, was man von ihm gewöhnlich zu befürchten hatte, war ein in Brand gesetzter Schornstein. Aber ausgekratzte Augen? Nein. Das klang ganz und gar nicht nach einem Gluhschwanz. Genauso, wie ein herausgerissenes Herz nicht zu einem Formwandler passte.
    »Weißt du zufällig, ob …« Als sie den Blick hob, war der Wodjanoi bereits verschwunden. Ganz leise und ohne Pfützen auf dem Boden zu hinterlassen, hatte er sich in die Tiefen der Abwasserrohre zurückgezogen.
    Zarah schüttelte den Kopf. Ein Formwandler und ein Gluhschwanz. Die Fälle

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