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Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Titel: Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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Extrem-Kettenrauchen vertrödelte, und wenn es ihm in all dem Qualm gelang, die Einlasssysteme überwachte.
    »Ich bringe sie um«, murrte er und rollte mit allen vier Augenpaaren, die auf seinem haarigen Kopf drei Reihen mit Rundum-Blick bildeten. »Ich bringe sie alle um. Bin ich ein Stehaufmännchen oder was?« Er steckte seinen Universalschlüssel in das Steuerungspaneel der Schranke und hob die Sperre manuell auf.
    Ächzend und mit knackenden Gelenken bewegte er sich zurück an seinen Platz, und Zarah konnte nur hoffen, dass er es schaffen würde, ohne unterwegs zusammenzubrechen. Dabei hatte sie einst selbst zugesehen, wie Onkel Joschi in wenigen Millisekunden über zwanzig Meter weit gesprungen war, um punktgenau im Nacken seines Feindes zu landen und die Giftzähne in sein Opfer zu stoßen.
    Sie huschte durch die Personenschleuse, während an ihrem Rücken der Blick der Spinnenaugen nagte. Das Werkzeug hüpfte bei jedem Schritt mit. Sie zwang sich, ihren Gang zu mäßigen, mimte die schlurfenden Bewegungen der Geächteten, die sie noch vor wenigen Tagen gewesen war, achtete auf die Umgebung, die Überwachungskameras und die Wachleute.
    Oben auf dem Hügel lagen die neueren Gebäude der ehemaligen Uni, modern geschwungen und mit gläserner Front. Zu regulären Bürozeiten saßen dort die großen Chefs und die Verwaltung. Eine breite Treppe führte nach unten, an der früheren Studentenmensa und der Bibliothek vorbei zu den älteren Bauten aus rotem Backstein. Ein kleiner Teich, umgeben von wenigen Bäumen und Büschen, wirkte wie eine Oase der Ruhe und in der bald endenden Nacht noch stiller als sonst. Zu ihren Putzzeiten hielten sich hier selten viele Beamte auf, abgesehen von den Mitarbeitern der Notruf-Zentrale, der Wache und den Einsatzteams, die sich in Bereitschaft hielten. Obwohl sie nicht den üblichen Weg wählte, schlugen die Sensoren, die ihre Bewegungen auf dem Gelände überwachen sollten, keinen Alarm.
    Sie betrat den Umkleideraum. Ihr Spind ließ sich nicht öffnen, weder mit der PIN noch mit der PUK . Erst dann bemerkte sie die Nachricht, die auf dem Log-Screen blinkte. ›Gesperrt wegen Wartung des Sicherheitssystems. Betreten des Geländes nur für befugtes Personal.‹
    Deshalb wollte die Schranke sie nicht passieren lassen! Während Onkel Joschi es als eine wartungsbedingte Störung des Systems ausgelegt haben musste. Womöglich spielte Friedberts Staub eine entscheidende Rolle bei diesem Versehen. Denn es konnte nur Glück sein. Viel Glück. So viel, dass ihr flau im Magen wurde.
    Sie war nach draußen getreten, stand vor der Tür und fror. Ihr war nie aufgefallen, dass sich das Gebäude mit dem Archiv direkt neben ihrem Einsatzort befand. Und sie hatte absolut alles dabei.
    Sie ging zum Teich. Noch konnte sie umkehren.
    In Gedanken ging sie Enyas Plan durch, der funktionieren sollte.
    Auf der Treppe erschienen zwei Wachmänner, die gemächlich die Stufen hinabstiegen. Sie huschte in die Büsche, drückte sich an die eisige Erde und wartete, bis die beiden Uniformierten an ihr vorbeimarschiert waren. Dann stahl sie sich entlang der Fassade, außerhalb der Kamerabereiche, zu einem der Kellerfenster und begutachtete es. Als Aufseherin hatte sie schon schwierigere Hindernisse überwinden müssen. Das Fenster gab nach und löste sich vom Rahmen. Kein Alarm.
    Sie schlüpfte hinein, lief lautlos durch den Keller und suchte nach den Absperrventilen der Hauptwasserleitung. Diese sollten bei einer Wasseruhr zu finden sein, hatte Enya behauptet: »Du weißt schon. Die typischen Handrädchen, wie sie lange vor dem Ende der Welt in Mode waren. Bei den älteren Gebäuden findest du sie höchstwahrscheinlich an den verzinkten Stahlleitungen. Da sie nur selten betätigt werden, brauchst du einiges an Kraft, um sie zu bewegen. Deine Aufgabe ist es, sie für Hände unbrauchbar zu machen.« Ein erhobener Zeigefinger, ihre gewichtige Stimme – Enyas Vater wäre stolz darauf gewesen, dass sein Mädchen ihm so nacheiferte.
    Zarah brauchte ein Weilchen, um die Wasseruhr und die besagten Ventile zu finden. Zur Sicherheit verglich sie diese mit Enyas ungelenker Zeichnung. Zwei runde Dinger, die ein wenig an eine stilisierte Blume erinnerten, fixiert mit einer handelsüblichen Schraube.
    Sie löste den zweiten Boden aus dem Rucksack und holte den Schraubendreher. »Ene, mene, muh und raus bist du.« Auch diesen Reim hatte ihr Enya vor Ewigkeiten beigebracht. Er half Menschen, schnell Entscheidungen zu treffen.

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