Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde
die Regel.
Glotzt doch. Mal sehen, wie ihr glotzen werdet, wenn ich als eine von euch zurückkehre. Zarah biss die Zähne zusammen und wandte den Blick ab.
Sie musste zurückkehren. Für Enya. Auch wenn sie lieber weiterhin mit einer Armfessel herumlaufen würde, als in Aufseheruniform unschuldige Menschen für das Ordnungsamt zu verhaften. Aber waren die Rebellen so viel besser? Warum hatte Alessas Mutter sterben müssen?
Neben ihr bellte ein Beamter seinem Kollegen etwas zu und entfachte pochende Schmerzen in ihrem Kopf, die ihr leichte Übelkeit bescherten. Zwei Wächter trieben Alessa über den Platz, die kurze, trippelnde Schritte mit den in Fesseln gelegten Füßen machte und jeden Augenblick zu stolpern drohte.
Mit wenigen Griffen wurde Zarah an das Menschenmädchen gekettet und in den Transporter gezwungen.
»Setzen!« Der Wächter stieß sie beide auf die Metallbank, beugte sich vor und befestigte die Fesseln an den Halterungen in der Wand des Transporters. Das Licht der Straßenlampen, das durch die geöffnete Tür fiel, erhellte sein dünnes Haar, den Rücken, an dem die Uniformjacke etwas hochgerutscht war. Oberhalb seines Hosenbundes blitzte ein Streifen nackter Haut auf, die grünlich wie oxidiertes Kupfer schimmerte. Er müffelte nach einer feuchten Gruft, morschem Holz und matschiger Erde. Seine Hände waren sehnig, das Gesicht eingefallen.
Alessa kauerte auf der Bank, den Blick auf ihre zu Fäusten geballten Hände gerichtet. Trotz ihrer Haltung wirkte sie nicht wie jemand, der sich klein machen wollte. Viel eher erinnerte sie an einen Luchs, der auf einem Ast lauert, bevor er hinunterschnellt und die Krallen ausfährt. Hoffentlich stellt das Mädel nichts Dummes an.
Es war an der Zeit, mit der Show zu beginnen.
Als der Wachmann an den Fußfesseln fummelte, trat Zarah ihn leicht in die Wade. »He, Kleiner, wann wurdest du denn verwandelt? Scheinst wohl ganz neu zu sein, was?«
Die erloschenen Augen, matt und schwarz wie die Außenfarbe des Transporters, kreuzten ihren Blick. Seine Oberlippe zuckte und entblößte das Gebiss mit zwei spitzen Eckzähnen. »Maul halten!«
»Ach, sieh an, sieh an. Schöne Beißerchen gab es auch dazu. Wackeln sie noch, oder kannst du damit schon knabbern?«
In den Pupillen glühte das Rot auf. »Die Fahrt ist lang. Vielleicht kriegst du das selbst raus.« Seine Nasenflügel erzitterten, als er geräuschvoll ihren Duft einsaugte. In seinem Blick erglomm Misstrauen. Dann Wachsamkeit. »Du riechst nicht nach Angst. Ich habe schon einige hier erlebt, die eine große Klappe hatten, sich aber heimlich in die Hose machten, du aber … irgendetwas stimmt mit dir nicht.«
Verdammt. Hoffentlich würde die Wut das Misstrauen überlagern. Betont lässig lehnte sie sich zurück. »Wer soll denn schon vor dir Angst haben? Traust du dich, allein mit uns zu fahren, oder willst du lieber Verstärkung holen?«
Seine Hand schnellte hervor und presste ihre eine Gesichtshälfte gegen die Wand des Transporters.
»Oh nein«, hauchte er, und sie erstickte beinahe an seinem ranzigen Atem. »Ich teile nicht.«
Langsam ließ er seine Hand sinken, und die Nägel pflügten tiefe Kratzer in ihre Haut, die Narbe entlang und hinunter zum Hals. Gierig schnupperte er nach ihrer Angst und ließ schließlich zufrieden von ihr ab.
»So ist es besser.« Er leckte an seinen Fingern, die das Blut über ihre Wange geschmiert hatten. Sogleich flackerte das Rot der Pupillen auf, glühend wie Kaminkohle.
Na, bin ich lecker genug, um dich die Vorschriften ein wenig vergessen zu lassen?
Er schlug die Tür zu, als könnte er die Abfahrt kaum erwarten, und sperrte ab. Sogleich versank alles in Dunkelheit – die Verwandelten brauchten kein Licht, um zu sehen.
Durch die Finsternis drang das blecherne Klopfen gegen eine Wand, vermutlich zur Fahrerkabine, und der Transporter setzte sich in Bewegung. Sie passierten die Sicherheitsschleuse, bei der das Auto mal langsam anfuhr, mal bremste, dann rauschten die Reifen über den Asphalt. Abgesehen von diesem Geräusch, drang nichts von der Außenwelt in den Innenraum ein, weder Licht noch der leiseste Luftzug. Nichts, was auch nur den kleinsten Hinweis auf den Verlauf der Strecke geben würde. Die Route für die Verlegung änderte sich jede Nacht.
Zarah zählte die Sekunden, um das Zeitgefühl nicht zu verlieren, während sie im Dunkeln dem lauten Schnaufen des Verwandelten lauschte, der sich an dem Geruch ihres Blutes labte. Jeder Atemzug versetzte ihn
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