Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Titel: Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
Vom Netzwerk:
hervor.
    Die Aufseher!
    »Duck dich.« Zarah zog Alessa hinter eine Bude.
    Eine Patrouille marschierte an ihnen vorbei in Richtung Mönckebergstraße. Anscheinend hatte sich die Lage nach dem Streifzug durch den Hauptbahnhof etwas entspannt, denn einer der Beamten knabberte an einem kandierten Apfel.
    »Ist der Weg frei?«, flüsterte Alessa. »Wir müssen nur noch quer rüber und …«
    »Zurück!« Grob zog sie das Mädchen wieder zu Boden.
    Eine Gruppe bewaffneter Männer, die aus einem Laden kam, machte ganz sicher keine Pause. In ihrer Mitte ging ein Mann in weißen Gewändern. Kein Gefangener – ein Schützling. Der Ladeninhaber drückte die Tür hinter ihnen zu und drehte hastig das Schild auf ›Geschlossen‹ um.
    Die Gruppe blieb stehen. Der Indianergesang verhallte jäh. Hastig raffte das Quartett seine Habseligkeiten zusammen und eilte davon.
    Der Mann in den weißen Gewändern breitete eine Samtdecke zu seinen Füßen aus und streute ein paar Körner darauf. Jemand reichte ihm einen Käfig, aus dem er ein Huhn holte. Behutsam strich er dem Tier über das weiße Gefieder und entließ es auf den Boden. Der Vogel schüttelte sich, machte ein paar unsichere Schritte, verschmähte jedoch die Gaben.
    Zarah spürte Alessas Berührung an ihrer Schulter. »Wer ist das?«
    »Der Sucher. Er bereitet sich auf irgendein Ritual vor.« Sie verstummte. Hatte einer der Aufseher gerade in ihre Richtung geschaut? Hatte er sie womöglich gehört? Sie legte eine Hand auf die Maschinenpistole, die an dem Riemen um ihre Brust baumelte. Sollten sie entdeckt werden, würde es ihnen kaum gelingen, sich den Weg freizuschießen.
    Der Sucher nahm das Tier erneut in die Hände. Er streichelte und wiegte es, bis er sich den Körper des Vogels unter den Arm klemmte und ihm den Schnabel gewaltsam öffnete. Mit dem Zeigefinger stopfte er dem Huhn ein paar Körner tief in den Rachen. Dann ergriff er das zappelnde Tier an den Flügeln, verharrte für einen Moment und streckte ruckartig die Arme hoch.
    Der Vogel schrie. Der feste Griff und die groben Bewegungen mussten ihm die Knochen gebrochen haben.
    Alessa sprang auf und keuchte.
    Keinen Ton! Sie drückte das Mädchen gegen die Wand der Bude und verschloss ihm den Mund mit einer Hand. Bitte, bitte keinen Ton! Auch dann nicht, wenn es noch schlimmer wird.
    Der Mann packte den Kopf des Huhns, hielt den Körper fest und begann, an dem Hals zu drehen. Zarah hörte, wie die Wirbelsäule knackte, wie der Herzschlag erlosch. Bald zuckte das Tier nicht mehr, sondern hing schlaff in dem Griff, doch der Sucher drehte weiter. Bis sich das Blut auf seine Gewänder ergoss, er die Hand öffnete und einen abgerissenen Kopf auf der Handfläche präsentierte.
    Die Aufseher um ihn herum erhoben die Gesichter gen Himmel. Ihr eintöniges Summen erfüllte die Nacht. Mit dem toten Huhn im Arm tanzte der Sucher in ihrem Kreis und schmierte das Blut in die ehrfürchtigen, starren Mienen.
    Zarah spürte etwas Nasses auf ihrem Handrücken und drehte sich um. »Lessa?«
    Tränen glänzten auf den Wangen des Mädchens.
    Du weinst um ein Huhn? Du hast keine Ahnung, was die Abteilung für Opferungen mit dir angestellt hätte, wären die Aufseher Ash, mir und dem Formwandler zuvorgekommen.
    »Schnell, weg von hier, solange sie alle beschäftigt sind.« Sie zog Alessa mit sich fort, in die Gasse zwischen den strahlenden Schaufenstern. Der schwarze Golf wartete an einer Fachbuchhandlung für spirituelle Literatur. Der Innenraum stank nach kaltem Fast-Food-Fett.
    Alessa zitterte, während sie auf den Beifahrersitz kroch. Erst als durch die Rückscheibe der Durchgang zur Spitalerstraße nicht mehr zu sehen war, ließ sie sich gegen die Lehne sacken. »Warum hat er das getan?«
    »Ich nehme an, er wird die Knochen entnehmen und damit wahrsagen wollen. Die Ketten haben den Ortungszauber geschwächt, er will die Sache etwas beschleunigen.«
    »Das bedeutet, dass ich daran schuld bin? An dem, was dem Vogel widerfahren ist?«
    »Es war ein Opfertier. Wenn nicht der Sucher, dann hätte jemand anders es gekauft und damit Ähnliches angestellt.«
    »Ich habe noch nie so etwas Grausames gesehen.«
    Ich habe es machen müssen. Die Augen des Stiers, den sie vorher in Samt gehüllt und auf dessen Hörner sie zwei Kerzen gesteckt hatte. Der Elfenbeingriff des Ritualmessers in ihrer Hand, der eine ganz ähnliche Farbe zu haben schien. Oda, die die Prüfung abnahm. Ach Zarah, du denkst nicht wie eine Dämonin. »Mit dem Ritual bindet

Weitere Kostenlose Bücher