Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Titel: Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
Vom Netzwerk:
Gesichtshälfte und ihre Schulter. »Komm endlich!«
    Sie wartete einen Moment, bis der Schwindelanfall sich verflüchtigte, zog Alessa die Treppe hoch und schließlich raus auf die Straße. Zwei Gestalten kamen auf sie zugelaufen. Sie schoss. Sie traf beide, aber nur einer war ein Aufseher.
    Nicht hinsehen. Das Magazin, das der Beamte bei sich hatte, einstecken. Weiter . Jetzt standen sie unter dem Vordach des ehemaligen Deutschen Schauspielhauses und drückten sich an die verglasten Eingangstüren. Die Kirchenallee wimmelte von Aufsehern. »Wir brauchen ein Fahrzeug, sonst kommen wir nicht weit.«
    Alessa kramte in ihrer Jeanstasche und reichte ihr den zerknüllten orangefarbenen Zettel.
    »Die Olymp-Werbung? Danke, aber gerade bin ich politisch eher desinteressiert.«
    Das Mädchen glättete das Blatt. Auf der anderen Seite stand braun in einer krakeligen Schrift eine Adresse: ›Kurze Mühren 6‹.
    »Was soll das bedeuten? Ein persönliches Gespräch mit Zeus?«
    »Dort wartet ein Auto auf uns. Aufgeladen und mit einer funktionierenden Identifizierungskarte.«
    Ein kleines, zitterndes Knäuel Mensch. Ein schwaches Menschenmädchen. Und doch klug genug, um nicht kopflos davonzulaufen, als sich ihm die Gelegenheit dazu bot, sondern einen Plan zu verfolgen.
    »Dann warst du es, die uns zum Hauptbahnhof geführt hat?« Sie stöhnte, presste ihre Wange an das kalte Glas und biss sich auf die Unterlippe, um ein weiteres Stöhnen zu unterdrücken, das ihre Schwäche offenbart hätte. »Ich hatte mich schon gefragt, wie wir dort so zielstrebig gelandet sind. Und diesen Irren – den kennst du also?«
    »Tschak. Er schreibt mit Milch, die erst bei Erhitzung sichtbar wird. Aber er musste schon von Weitem gesehen haben, dass ich kein Feuerzeug zur Hand haben würde. Du hast recht, Zarah, allein schaffe ich es nicht in die Tote Stadt. Ich muss dir vertrauen. Kann ich das?«
    »Deine Entscheidung.«
    Alessa senkte die Wimpern. »Ich glaube, ich habe keine Wahl.«
    Diese Menschen. Sie sahen so hilflos aus, waren es aber nicht. Fast zu grell leuchtete der orangefarbene Zettel in der Hand. Fast zu unwirklich wirkte die Maschinenpistole in den schmalen Händen.
    Vielleicht hätte sie auch ihrer Schwester mehr zutrauen sollen.
    »Dann ab zur Kurzen Mühren. Das ist an der südlichen Seite des Hauptbahnhofs, wir müssen um das ganze Gebäude herum.« Zarah schloss die Augen und spürte ihr eigenes Herz pochen. Die Welt begann wieder, sich immer langsamer zu drehen. Beinahe zaghaft stimmte Alessas Herz mit ein. Du darfst dich dem Virus nicht öffnen! Du beschleunigst dadurch nur die Ausbreitung der Infektion. Sie schob den Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf ihre Wahrnehmung. Zwei Aufseher näherten sich ihnen vom Hachmannplatz; das Pochen ihrer Herzen spürte sie immer intensiver. So viel Leben, so viel Kraft zog sie unwiderstehlich an, doch sie lauschte, horchte in die Stille hinein, die ihr von der Ellmenreichstraße entgegenkam. »Ich glaube, ich kann dich durchbringen. Mit etwas Glück, versteht sich.«
    Sie schlich um die Hausecke. Alessa folgte ihr. An die Hauswände gedrückt, eilten sie davon, versteckten sich in den Eingängen und wählten einsame Straßen der Innenstadt. Kaum ein Passant wollte zufällig einer Razzia des Ordnungsamtes in die Quere kommen.
    Im Gegensatz zu den sonst dunklen Gassen zuvor erstrahlte die Einkaufsmeile an der südlichen Seite des Hauptbahnhofes im vorfestlichen Glanz. Lichterketten und Straßenlaternen erhellten die Wege bis in die letzte Ecke, die bunten Ladenschilder und Schaufenster leuchteten mit ihnen um die Wette. Zu dieser Jahreszeit lag stets etwas Fröhliches in der Luft, etwas, was Dämonen und Menschen gleichermaßen ansteckte. Die unzähligen Läden lockten mit Schnäppchen. Das Blei floss zum Sonderpreis, Runen- und Ritualbücher lagen auf den Grabbeltischen, und beinahe jedes Geschäft pries mit großen Aushängen seine Opfertiere an. An der Spitalerstraße standen sogar ein paar Buden und vergraulten anständige Passanten mit dem Duft von Glühwein, gebratenen Mandeln und frittierten Würstchen. An einer Ecke lümmelten vier in Ponchos gekleidete, schon etwas ältere Männer herum und gaben nicht sonderlich überzeugend indianische Schamanengesänge von sich.
    »Auch Bekannte von dir?«
    Alessa grinste nur.
    Noch kein neugieriger Bummler oder Schnäppchenjäger zu sehen, in den verdunkelten Räumen der Läden glotzten die Verkäufer ängstlich hinter den Theken

Weitere Kostenlose Bücher