Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Titel: Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
Vom Netzwerk:
draußen zusammen, riefen etwas und johlten. Sie stemmte sich gegen die Tür. Die da draußen – die durften nicht ins Bad, durften sie nicht kriegen.
    Etwas bewegte sich hinter dem Duschvorhang. Eine gebückte Gestalt kroch hervor und hinkte auf Zarah zu. Tara.
    Fäuste trommelten gegen die Tür. »He, Narbengesicht! Komm doch raus. Verstecke deine Schönheit nicht vor uns!«
    Das Holz vibrierte in ihrem Rücken. Sie musste ihre ganze Kraft aufwenden, um sich gegen die Tür zu stemmen, aber ihre Kräfte schwanden. Tara hockte zu ihren Füßen und verkeilte etwas in dem Spalt. Die Tür bebte, gab jedoch nicht mehr nach.
    Zarah ließ los und wankte zum Waschbecken, entdeckte sich im Spiegelschrank. Die zarten Züge, die tränenverquollenen Augen. Sie brüllte, verkrallte sich in den Schrank und riss ihn von der Wand. Es krachte. Es klirrte. Sie fiel auf die Knie.
    »Kann mir jemand erklären, was hier los ist?«
    Plötzlich war es so still da draußen.
    Zarah beugte sich über die Spiegelscherben und blickte in ihr zersplittertes Gesicht. Die Tränen zeichneten schwarze Bäche auf ihre Wangen.
    »Zarah? Zarah!« Gallagher klopfte an die Tür.
    Mit ihrer Hand umschloss sie einen der großen Splitter.
    »Zarah, lass mich rein! Hörst du?«
    Es würde nicht wehtun.
    »Zarah!«
    Sie pflügte mit den Fingern durch ihr Haar. ›Niedlich und frech‹ war so kurz und fühlte sich trotzdem so schwer an.
    »Zarah …« Er kniete sich neben sie. Seine warme Hand umschloss die ihre. Woher kam er so plötzlich? Sanft bog er ihre Finger auseinander und nahm ihr die Scherbe weg. Ihre vernarbte Wange schmiegte sich an seine Brust. Sein Herz raste. Ihr Herz tat es ihm nach.
    Irgendwann löste sie sich von Gallagher, wischte sich über die Augen, verrieb die Schminke. Nichts an ihr zitterte mehr. »Wir müssen los. Der Kapitän wartet nicht, und nach Dagebüll ist es ein langer Weg.« Über seine Schulter hinweg sah sie Tara, die an der Tür hockte und den Keil in den Händen hielt. Das Mädchen hatte ihn also hereingelassen.
    »Zarah …«
    Sie erhob sich. »Geh. Ich folge dir.«
    Er stand ebenfalls auf, streckte ihr seinen Arm entgegen. Seine Handfläche blutete, vermutlich von der Scherbe, die er ihr weggenommen hatte.
    Sie stieß ihn von sich. »Geh.«
    Er ging. Sie folgte ihm, wie versprochen. Die Meute draußen hatte einen Gang gebildet. Aber jetzt war es keine Meute mehr, nur jeder für sich, mucksmäuschenstill und angespannt.
    Zarah kam an Giulia vorbei. Ihre Blicke trafen sich.
    »Wie ich sehe, hast du nun Kriegsbemalung aufgelegt.« Die Worte trafen sie kaum hörbar. Jemand gluckste.
    Zarah blieb stehen. Gallagher ging weiter, merkte nichts, er würde sie nicht hören. »Pass auf. Ich verstehe nichts vom Zickenkrieg. Wenn ich im Krieg bin, drücke ich auf einen Abzug. Also denk drüber nach.«
    Sie ging weiter. Etwas abseits stand Alessa. Immer noch klein. Immer noch schuldig.
    Miststück!
    Das Mädchen zuckte zusammen, als hätte Zarah ihm tatsächlich ins Gesicht gespuckt.
    Mit festen Schritten holte sie Gallagher ein.
    Keine Blöße mehr, keine Gefühle.

2 2
    In Ahrensburg wartete ein Auto auf sie. Es stand unweit vom Muschelläufer, einer inzwischen berühmten Fiberglas-Skulptur, die hier einige Jahre vor dem Ende der Welt aufgestellt worden war. Die vier Meter Hässlichkeit in einem blauen Anzug gehörten zu den wenigen Kunstwerken, die vom Obersten Dämonenrat als wertvoll erachtet worden waren. Die Skulptur stellte einen blonden Mann dar, der seine linke Hand lässig in die Tasche seiner Hose gesteckt hatte und den rechten Arm, der in einer klobigen Muschel endete, den Passanten entgegenstreckte. Vor dem Ende der Welt strömten daraus Walgesänge oder Schreie neugeborener Robbenbabys – die Historiker waren sich in diesem Punkt nicht mehr einig. Heute ergossen sich aus dem eingebauten Lautsprecher die Propaganda-Sprüche der Nachtseite. Was die Dämonen nicht beachtet hatten, war die inzwischen schon hundertjährige Tradition, die ihren Ursprung noch in der alten Welt genommen hatte, den Muschelläufer heimlich zu demolieren, und so präsentierte der Plastikriese heute ein beachtliches Loch in seinem Schritt.
    Was die Stadt vor der Herrschaft der Nachtseite Tausende von Euros kostete, erledigten die Dämonen mit Hilfe der Magie. Ritualtänze nackter Jungfrauen um Mitternacht sammelten genug Energie, um die Schäden an der Skulptur zu beseitigen. Plakate und Flyer an jeder Ecke kündigten bereits die nächste dieser

Weitere Kostenlose Bücher