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Tag der Entscheidung

Tag der Entscheidung

Titel: Tag der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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Gebirge. In dem Bewußtsein, daß jedes ihrer Worte aufs genaueste abgewägt werden würde, sprach Mara, ehe auch der letzte Mut sie verlassen konnte. »Man sagte mir, die Versammlung würde Euch fürchten. Warum?«
    »Es stimmt«, meinte die Kaliane kurz angebunden. Sie lachte mit einem leichten Meckern, das Mara erschaudern ließ. »In Eurem Kaiserreich behandelt man die Sklaven schlecht und erzählt ihnen, es wäre der Wille der Götter. Die Lords kämpfen und töten für die Ehre, doch was erreichen sie damit? Nicht Ruhm und auch nicht die Gunst des Himmels, nein. Sie verlieren ihre Söhne, führen Krieg, stürzen sich sogar in ihre eigenen Schwerter, und das alles für nichts, Lady Mara. Sie sind betrogen worden. Ihre vielgepriesene Ehre ist nur eine Fessel, die sicherstellt, daß die Macht der Nationen sich nicht bündelt. Solange im Spiel des Rates ein Haus gegen das andere kämpft, herrscht die Versammlung ohne jede Einschränkung. Ihre Macht ist groß, aber nicht grenzenlos, und sie war auch nicht immer so stark.«
    Hoffnung erfüllte Mara angesichts dieses offenen Eingeständnisses. »Dann werdet Ihr mir helfen?«
    Das Gesicht der Kaliane verzog sich zu einer Maske aus unergründlichen Falten. »Euch helfen? Das muß erst noch entschieden werden. Dazu müßt Ihr mich auf eine kurze Reise begleiten.«
    Furcht ergriff Mara; sie hatte Angst, Lujan, Saric und, noch schlimmer, Kamlio in den Händen der Hochländer zurückzulassen. »Wohin gehen wir?«
    »Es gibt Dinge, die Ihr gesehen haben müßt. Ein Rat aus meinesgleichen muß von Euren Gründen erfahren und Eure Geschichte hören, er muß Euch befragen.« Dann, als spürte sie die Quelle von Maras Unbehagen, fügte sie eine Erklärung hinzu: »Wir werden nicht länger weg sein, als zwei Frauen für ein Gespräch benötigen, damit Eure Krieger aus Angst um Euch nicht verzweifeln und etwas Dummes anstellen.«
    »Dann gebe ich mich also in Eure Hände«, sagte Mara; ihre Entschlußkraft siegte über die Unentschlossenheit in ihrem Innern. Sie war als Tsurani aufgewachsen und noch nicht derart von dem Wunsch nach Veränderung durchdrungen, daß sie den Ehrenkodex ihrer Leute völlig unberücksichtigt lassen konnte. Und doch wußte sie, daß sie keine zweite Chance erhalten würde. In einer Art Verzweiflung ergriff sie also die Möglichkeit, die die Kaliane ihr bot, ohne darauf vorbereitet zu sein, wie schnell ihrer Zustimmung Taten folgen würden. Das alte thurilische Weib griff über den schmalen Tisch hinweg nach Maras Hand, nahm sie in ihre trockenen, festen Finger und sprach ein Wort.
    Mara hörte nur die erste, zischend ausgestoßene Silbe. Der Rest wurde von einem Rauschen in ihren Ohren erstickt, das wild war wie der peitschende Wind eines Seesturms. Der Boden entfernte sich immer weiter von ihren Füßen, wie auch der Stuhl, auf dem sie gesessen hatte. Die dunklen Wände der Bäckerei verschwanden ebenfalls, wurden während eines kurzen Lidschlags ersetzt von der Weite einer grauen Leere.
    Die Zeit stand still. Die Luft wurde eisig und dünn. Mara hätte beinahe ihre Ahnen beschämt und aus Angst um ihr Leben erschreckt aufgeschrien, doch da endete die Leere plötzlich und hinterließ nichts weiter als eine Art Nachbild.
    Dann stand sie wieder auf festem Boden, auf einem Platz, der von Cho-ja-Kugeln beleuchtet wurde. Die Kaliane hielt immer noch mit festem Griff Maras Handgelenke fest, die wie Ried im Sturm zitterten. Während tsuranische Städte auf ebenem Boden gebaut wurden, hatte man diese Gebäude in verschiedenen Lagen in den steilen Granitfels gehauen. Auf der Ebene des Tals war der Platz, auf dem Mara stand; er war von Terrassen umgeben, jede Ebene mit Türen, Fenstern und Läden an der Vorderseite. Ihre Augen weiteten sich, als sie die Säulen, Pfeiler und Bögen sah, die in atemberaubender Kunstfertigkeit vor dem Hintergrund der Nacht eine Reihe bildeten. Totempfosten stützten Galerien mit Holz-und Steingeländern; einige waren in Form von Drachen oder den großen Schlangen aus Luft und Wasser geschnitzt, die im Mythos von Thuril eine besondere Rolle spielten. Türme und Kuppeln ragten in den sternenklaren Himmel oder durchdrangen hellerleuchtete Nebelstreifen. Mara hielt vor Freude über eine Schönheit, die ihr tsuranisch geprägter Verstand kaum ermessen konnte, den Atem an. Niemals hätte sie in diesem unfruchtbaren Hochland eine solche Stadt erwartet! Die Straßen waren mit Hochländern in einfachen Kilts und Hosen bevölkert. Die meisten

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