Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tag der geschlossenen Tür

Tag der geschlossenen Tür

Titel: Tag der geschlossenen Tür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rocko Schamoni
Vom Netzwerk:
endlich wieder seinen Satz sagen darf. Den Satz, den er in seinem Leben am häufigsten gesagt hat, der Satz, der ihm am liebsten ist, weil er alles auf den Punkt bringt: MarkoFassbergamApparatwaskannichfürSietun?
    »Ich wollte gerne Ihre Mitarbeiterin Marion Vossreuther sprechen.«
    »FrauVossreutheristgradenichtamPlatz – vielleichtkannichIhnenweiterhelfen?«
    »Ich habe einige Fragen an Frau Vossreuther …«
    »Myriam, das Sony Bluetooth ist in der Sony-Schublade, nicht bei Samsung …«
    »Was? …«
    »EntschuldigungFrauVossreutheristgradenichtanihremPlatz.«
    »Ja, das weiß ich ja jetzt auch schon …«
    Für einen Moment bricht der Kontakt ab, ich höre ein paar undefinierbare Geräusche, dann erklingt eine andere Stimme.
    »O2-Shop Mönckebergstraße, Marion Vossreuther am Apparat, was kann ich für Sie tun?«
    Auf einmal ist sie doch in der Leitung. Mich durchfährt eine Panikattacke, und ich weiß nicht, wie ich reagieren soll. Ihre Stimme klingt so klar und verbindlich, fast schon warm, fast schon ein wenig mütterlich. Mein Mund trocknet in weniger als zwei Sekunden aus, die Zunge klebt am Gaumendach fest, die Feuchtigkeit, die mir im Mund fehlt, ist in die Handinnenflächen gewandert und tritt dort aus den Poren.
    »Marion Vossreuther am Apparat, hallo?«
    »Marion, Sie … ich …«
    »Wie bitte?«
    »Marion, ich würde gerne …«
    Das Telefon rutscht mir aus der nassen Hand, fällt in Zeitlupe zu Boden und zerspringt in mehrere Teile. Ich bin dankbar dafür, ich hatte nichts mehr zu sagen. Es wäre einfach zu albern gewesen, ihr jetzt am Telefon meine Zuneigung zu gestehen. Basierend worauf?
Sie wird sich nicht an mich erinnern können. Sie
wird einen Mann und zwei Kinder haben. Und ein
Haus in Duvenstedt. Oder in Peine. Oder in Buchholz. Aber vielleicht auch nicht. Auf dem Boden baue ich nachdenklich sitzend das Telefon wieder zusammen. Könnte ich eine echte Chance bei Marion Vossreuther haben? Ist einer wie ich ihrer Lebenswelt nicht viel zu fremd? Wenn sie allein sein sollte – wollte sie nicht einen ganz normalen, sportlichen, agilen Mann mit Geld und Karriere? Anstatt eines professionellen Lebenszweiflers? Auf jeden Topf gehört ein Deckel. Und meistens passen die auch zusammen. Wir suchen immer nach baugleichen Gegenstücken. Und dennoch zieht sie mich an. Es wird der Tag kommen.

Eine revolutionäre Idee
     
    A m Mittwochmittag klingelt es an der Tür. Ich linse
durch den Späher. Zu meiner Verwunderung steht dort Nowak. Mit einer Tüte in der Hand. Nowak hat mich noch nie besucht. Eigentlich lässt er immer nur bitten. Eigentlich habe ich ihn noch nie außerhalb seiner Grotte erlebt. Ich öffne ihm.
    »Sonntag. Guten Morgen, mein Lieber, wie geht’s, wie steht’s? Dachte, ich komme dich mal besuchen.«
    »Morgen, Nowak. Was treibt dich denn in diese fernen Gefilde?«
    Ich bitte ihn herein, und wir nehmen am Küchentisch Platz. Er hat Bier und Kekse mitgebracht, was seiner Ansicht nach sehr gut zusammenpasst. Er öffnet eine Dose Bier und eine Packung Spritzgebäck. Ich ignoriere das Bier und wende mich einem Keks zu.
    »Sonntag, ich komm mal direkt zur Sache. Ich hab ’ne tolle neue Idee, wie wir beide richtig Geld verdienen könnten.«
    »Macht unser Restaurant wieder auf?«
    »Ach was. Schnee von gestern. Die Leute interessieren sich für ganz andere Sachen.«
    »Soso, für was denn?«
    »Du, die Leute müssen sparen. Die Leute haben kein Geld mehr über. Das ist nicht mehr wie vor zehn Jahren, wo alle noch auf dicke Hose gemacht haben.«
    »Aha, das ist mir noch gar nicht aufgefallen. Du kennst dich aber auch ziemlich gut aus mit den Leuten, oder?«
    »Kontakte … Ich hab auf jeden Fall eine Marktlücke entdeckt: die Preisgestaltung der öffentlichen Verkehrsmittel!«
    Ich betrachte ihn ratlos. Jetzt öffne ich mir doch ein Bier.
    »Jeden Tag fahren in Hamburg Zigtausende mit der Bahn. Zigtausende! Und alle, die keine Monatskarte haben, kaufen sich eine Tageskarte oder ein Kurzticket, stimmt’s?«
    »Ja, stimmt.«
    »Und wenn sie ihre Strecke gefahren sind, schmeißen sie das Ticket weg, stimmt’s?«
    »Stimmt wohl.«
    »Genau da brummt der Elch. Ist dir schon mal aufgefallen, wie viele Karten an den Bahnhöfen achtlos weggeschmissen werden?«
    »Nee, hab ich noch nie drauf geachtet.«
    »Aber ich! Die Leute kommen aus dem Bahnhof und schmeißen ihre Karten weg. Dabei könnte man damit durchaus noch drei oder vier Stationen weiterfahren.«
    »Ja, und?«
    »Also pass auf:

Weitere Kostenlose Bücher