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Tag der geschlossenen Tür

Tag der geschlossenen Tür

Titel: Tag der geschlossenen Tür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rocko Schamoni
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einfach einen Haufen sinn- und wertlosen Gerümpel hinterlassen, der auf den Kunstschutthalden dieser Welt landet. Wie viel überflüssige Kunst wohl produziert werden muss, um auf ein einziges Max-Ernst-Gemälde zu kommen? Ich schätze, das Verhältnis liegt etwa bei einer Million zu eins. Die Kunst ist eine massive Weltlebenszeitverschwendung.
    Ich habe irgendwann erkannt, dass ich zur Kategorie der Verschwender gehöre, und in dem Moment aufgehört, mich verrückt zu machen. Aufgehört mit der blödsinnigen Idee, für mich einen Platz in der europäischen Kulturgeschichte zu suchen. Seitdem geht es mir besser, der Druck ist verflogen, und ich befinde mich in einem sogar manchmal recht angenehmen Wartezustand. Worauf? Na, darauf, dass der ganze Quatsch vorbeigeht.
    Die Seele ist ein kleines, dunkles Ding. Sie sieht in etwa so aus wie ein schwarzer, fusseliger Tennisball, durch die fransigen Haare sieht man die Augen glimmen, einen Mund, eine Nase oder Ohren braucht sie nicht. Sie kann schweben und ist durchlässig, also nicht aus fester Substanz geformt. Sie dringt bei der Geburt in den Körper ein und weicht aus ihm nach dem Tode. Ihr Sitz ist im Kopf, direkt hinter den Augen. Während des Lebens dient der Körper der Seele als Fahrzeug. Und als Hersteller weiterer Fahrzeuge für nachkommende Seelen. Das Körperfahrzeug ist auf der Welt, die wir Erde nennen, in seinen Kapazitäten beschränkt. Es kann sich in nur eine Richtung im Raum begeben und auch nur in eine Richtung in der Zeit. In anderen Welten gibt es fähigere Fahrzeuge. Das, was wir Menschen als das »Ich« bezeichnen, ist jener kleine schwarze Fusselball – die Seele.
    Ich sitze an diesem Samstagmorgen in meinem Fahrzeug am Küchentisch, bediene den Körper von innen, lasse die rechte Hand Kaffee in eine Tasse kippen und die linke einen Löffel Zucker verrühren, ich lasse den Kopf sich drehen, schaue in verschiedene Richtungen und sinniere über die verschiedenen Geistwelten, die über meinen Körper kommunizieren: die Musen über meine Kunstantennen mit der Seele. Die Seele über ihre Blitzableiter mit den Dämonen. Die Engel durch die Lenden mit den Teufeln. Und Gott über alles mit allen. Denke nach über meine Beschaffenheit und meine Sensorik. Denke darüber nach, eventuell irgendwann das Fahrzeug zu wechseln. Wenn es in seiner Fahrtüchtigkeit immer eingeschränkter sein würde. Wenn es keinerlei Aufsehen mehr erregt und die Fahrt für mich schmerzhaft würde. Lieber das Fahrzeug rechtzeitig verlassen, um sich ein anderes zu suchen. Das Problem: Das gesamte Kartenmaterial wird beim Fahrzeugwechsel gelöscht. Was für eine blödsinnige Idee! Was für ein Systemfehler!
    Ich höre draußen die Glocken schlagen. Tief und gleichtönend. Ich habe Angst vor allem, was Glocken hat. Schlitten, Ziegen, Hunde, Kirchen. Der Schlitten steht für schlechte Beine, die Ziege steht für den Teufel, der Hund für die Missgunst und die Kirche für die Demütigung. Ich denke darüber nach, ob man das Recht hat, das Fahrzeug zu wechseln. Ob man nicht mit seinem Fahrzeug zufrieden sein müsste. Frage mich, wer mich in dieses Fahrzeug gesteckt hat. Und draußen schlagen die Glocken! Bis mir irgendwann auffällt, dass die Glocken schon sehr lange schlagen. Bestimmt schon länger als eine halbe Stunde. So lange, wie sie noch nie geschlagen haben. Ich wundere mich und höre weiter zu. Kann bald an nichts anderes mehr denken. Der Gedanke, dass diese Glocken ewig schlagen könnten, ist mir physisch unangenehm. Ich lege mich auf das Bett und lausche dem schwingenden Rhythmus. Heute ist kein Feiertag. Auch brennt die Kirche nicht. Höre nur ich allein die Glocken schlagen? Obwohl es warm ist, decke ich mich zu. Ich verstecke den Kopf unter mehreren Kissen. Irgendwann schlafe ich ein.

Ausbau einer schlechten Beziehung
     
    A ls ich vom Einkaufen nach Hause komme und
meine Wohnungstür aufschließen möchte, bemerke ich, dass jemand mit einer weißen Substanz das Wort »Lustfeind« an meine Tür geschmiert hat. Ist das Sperma? Es sieht obszön aus. Die Substanz riecht nach Mango. Ich brauche einen Moment, bis ich begreife, dass ich es mit einer Antwort zu tun habe. Er will also einen Kampf, er, der neue Mitbewohner. Aber wie hat er herausbekommen, dass ich den ersten Angriff gestartet habe, ich bin niemandem im Treppenhaus begegnet. Es muss mich jemand verpfiffen haben, verdammte Verräter hier im Haus! Und wie reagiere ich darauf? Ich bin herausgefordert, ich muss mir eine

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