Tag der geschlossenen Tür
genossen, das muss ich zugeben. Ablehnungen und Beendigungen sind die schönsten Aspekte von Arbeitsverhältnissen.
Vielleicht sollte ich zum Ausgleich einen weiteren Versuch wagen, im Literaturbereich abgelehnt zu werden? Vielleicht sollte ich ein Manuskript verschicken, das noch harmloser ist als das letzte, das noch schwächer ist als »Email für Emil«? Ich versuche mich in einen Zustand totaler Entspanntheit und Langeweile zu bringen. Lass die Gliedmaßen hängen und die Gedanken schleifen. Denk öde, denk wenig, denk arm.
Sehr geehrte Damen und Herren,
mein Name ist Michael Sonntag, ich wohne in Eckernförde und arbeite in der Kindertagesstätte » Lila Luftballon « .
Ich möchte Ihnen ein faszinierendes Buchprojekt vorstellen, an dem ich jetzt schon seit drei Jahren arbeite. Es trägt den Titel » Immer Ärger mit Herr Berger « . Wenn Sie bei diesem Titel jetzt schon am Schmunzeln sind, sind Sie bei mir genau an der richtigen Stelle.
» Immer Ärger mit Herr Berger « ist der lustige Familienroman für die ganze Familie. Haben Sie jetzt schon Interesse bekommen? Nun ja, das war mir klar. Wie die Geschichte denn geht, möchten Sie wissen? Also, ich möchte Sie nicht länger auf die Folter spannen: Familie Berger wohnt in einem schönen Bauernhaus auf dem Land. Vater Berger ist Tierarzt, seine Frau kümmert sich um den Haushalt, und die beiden Söhne Cay und Martin sind acht und elf Jahre alt. Mittelpunkt der Familie aber ist der junge Bernhardinerhund Herr Berger. Ein Hund namens Herr Berger, werden Sie fragen. Ja, Sie haben richtig gelesen. Denn in dieser Familie herrscht jetzt schon der ganz normale Wahnsinn. Täglich stellt Herr Berger irgendeinen Unsinn an, mal tapst er in die Milchschale der Katze Maunzi, mal fällt die Tür zu, sodass Herr Berger laut bellen muss, bis man ihn reinlässt – hahaha! Eines Tages wird Herr Bergers Halsband geklaut. Wer ist wohl der Dieb? Achthundertfünfzig pralle Seiten Spaß und Spannung sind garantiert!
Ich möchte Sie bitten, sich bei mir zu melden, wenn Sie mit mir jetzt schon Verhandlungen aufnehmen möchten, muss Sie aber darauf hinweisen, dass ich den Roman auch anderen Verlagen angeboten habe, Sie sollten sich also beeilen.
Also bis bald und wuff – hahaha
Ihr Michael Sonntag
Ein paar Sekunden nach der Niederschrift erwache ich aus meinen öden Phantasien. Ich gehe den Brief durch und muss feststellen: eine in meinen Augen durch und durch schlüssige Offerte. Ich beschließe diesen Pflasterstein der Schwäche in Richtung des Deutschen Taschenbuchverlages zu schleudern. Die scheinen mir genau die Richtigen, um über mich zu urteilen. Man muss sich schon von den Großen degradieren lassen, damit es wirklich Spaß macht. Ich werde sehnsuchtsvoll auf die Antwort warten, um sie einzukleben in mein Poesiealbum der nicht unerwiderten Liebe.
Noch immer liegt das bis jetzt ungenutzte Handy neben meinem Bett auf dem Nachttischschrank und erinnert mich an eine nicht begonnene Beziehung. Marion Vossreuther, attraktive Beherrscherin der Kommunikationsnetze, wartest Du vielleicht doch auf meinen Anruf? Direkt neben dem Handy liegt die Visitenkarte mit der Nummer ihres Shops. Wenn ich das Telefon schon besitze, warum sollte ich nicht bei ihr anrufen? Sie wird mich sowieso nicht erkennen, was kann mir schon passieren? Ich wähle die Nummer, meine Finger haben Mühe, auf den ungewohnten kleinen, harten Tasten Platz und Halt zu finden. Ich führe das Gerät, das mir viel zu kurz erscheint, ans Ohr. Bereits nach dem ersten Freizeichen wird der Kontakt hergestellt, und eine Stimme meldet sich, die in abgewetztem Ton und ohne Silbentrennung eine Begrüßung herunterleiert:
»O2ShopMönckebergstraßeMarkoFassbergamAppa-rat – waskannichfürSietun?«
Um verstanden zu werden, halte ich das Telefon direkt an den Mund. Zum Hören nehme ich es wieder schnell zum Ohr. Wie das Schiffchen auf einem Webstuhl bewegt sich das Gerät zwischen meinen Sinnesorganen hin und her.
»Was? Ich habe Sie …«
»O2ShopMönckebergstraßeMarkoFassbergamApparat – waskannichfürSietun?«
»Marko Fassberg?«
»Ja – MarkoFassbergamApparatwaskannichfürSietun?«
»Guten Tag.«
»Guten Tag, waskannichfürSietun?«
Kleine schwarze Augen hat er bestimmt, Marko Fassberg, und Federn und dünne hornige Krallenhände. Und Körner pickt er, wenn er nicht telefonieren muss, und dann hockt er da und schaut mit schräg gelegtem Kopf das Telefon an und wartet. Wartet darauf, dass er
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