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Tag der Vergeltung

Tag der Vergeltung

Titel: Tag der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liad Shoham
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war, hatte er eine führende Funktion im überregionalen Ausschuss der Kammer inne, und sie wusste, dass er dazu beigetragen hatte, die Gemüter einiger prominenter Anwälte zu beruhigen, die sich gegen ihre Ernennung ausgesprochen und zu einer Schlammschlacht in den Medien aufgerufen hatten. Sie beide hatten darüber nie ein Wort verloren, doch dass er sich für sie eingesetzt hatte, war ihr zugetragen worden, gewiss nicht zufällig.
    Gestern Vormittag hatte in ihrem Büro ein Treffen in Sachen Schimon Faro stattgefunden. Die Atmosphäre war angespannt gewesen. Die Ermittlungen gegen ihn steckten fest, und obwohl Kriminalrat Navon es nicht explizit ausgesprochen hatte, war ihr Eindruck, dass er die Verhaftung von vorn bis hinten für einen einzigen Fehler hielt, für ein Resultat des Drucks, der ihm von oben gemacht wurde.
    Auch der Artikel mit den Äußerungen von Kriminalkommissar Eli Nachum im Zuge der Vergewaltigungsfälle hatte nicht für bessere Stimmung gesorgt. »Etwas ist faul im Bezirk Tel Aviv«, hatte sie heute Morgen einen Kommentator im Radio deklamieren hören. Obgleich Navon versuchte hatte sie zu beruhigen, da er Eli Nachums Aussage für puren Unsinn und Nevo für den Täter hielt, wussten sie beide, welche Folgen es hätte, wenn sich herausstellte, dass sie nicht nur den falschen Mann festgenommen, sondern noch dazu für seine Verurteilung gesorgt hatten.
    Am Ende der Sitzung in Sachen Faro hatte Navon sie um ein Gespräch unter vier Augen gebeten. Er hatte ihr von dem Informanten berichtet, der inzwischen aber das Handtuch geworfen hatte und im Zuge der Verhaftung verschwunden war. Jetzt übte man von oben Druck auf ihn aus, er solle Faro zu verstehen geben, dass es einen Informanten gebe und er weiterhin mit ihnen kooperiere. Unterm Strich war alles Relevante, was der Informant bisher geliefert hatte, dass sich Faro eines Mannes namens George bediente, um in der Gegend des Dorfs Ghadschar, an der israelisch-libanesischen Grenze, Drogen einzuschleusen. Mehr hatten sie nicht, zwei Namen – George und Ghadschar, das war alles. Weder wussten sie, wer dieser George war, noch, in welchem Umfang er agierte, wie er vorging oder inwiefern das Dorf, von dem ein Teil israelisch und ein Teil libanesisch war, eine Rolle in der Sache spielte. Hätte man ihm mehr Zeit gegeben, die Organisation zu infiltrieren, den Informanten aufzubauen, wüssten sie womöglich auch mehr. »Doch damit ist es jetzt vorbei«, hatte er hinzugefügt.
    Navon hatte besorgt und müde gewirkt. Könnte sein, dass Faro in Stress geriet, oder eben nicht. Auch denkbar, dass er durch die bloße Erwähnung der Namen dahinterkäme, wer der Informant sei, der damit ein toter Mann wäre. Zwei Namen, mehr hatten sie nicht in der Hand. »Die könnten ihn festnageln oder sich genauso gut in Luft auflösen«, hatte er die Sachlage zusammengefasst.
    * * *
    Als sie Rechtsanwalt Borochov jetzt vor sich sitzen sah, fragte sie sich, ob diese Unterredung den beiden Namen geschuldet war. Er hatte sie bereits gestern Abend angerufen. In zwei Tagen stand die Verhandlung zur Verlängerung von Faros Untersuchungshaft an, und er wollte Dinge erklären, darlegen. Seiner Stimme war nichts Außergewöhnliches anzumerken gewesen. Er hatte um ein reguläres Gespräch gebeten, das vor der Gerichtsverhandlung notwendig sei.
    Gleich im Anschluss hatte sie Navon angerufen und ihn über das Telefonat informiert. Beide hatten genug Berufserfahrung, um dieser Kontaktaufnahme nicht übermäßige Bedeutung beizumessen. Nicht die kleinste Regung hatte sich in Faros Gesicht abgezeichnet, als die Ermittler den Namen George und das Dorf Ghadschar erwähnt hatten, so Navon. Stundenlang hatten Faro und die Ermittler sich gegenübergesessen, und er hatte sich in Schweigen gehüllt, hin und wieder hatte er den Satz »Auf Anraten meines Rechtsanwaltes mache ich von meinem Schweigerecht Gebrauch« von sich gegeben. »Kann sein, dass die beiden Namen bei ihm etwas bewirkt haben. Oder auch nicht«, hatte Navon an seiner Schlussfolgerung festgehalten.
    »Ich habe den Eindruck, dass auch die Staatsanwaltschaft einsieht, dass aus dieser Verhaftung nichts mehr herauszuholen ist«, sagte Borochov und faltete die Hände über seinem dicken Bauch. Auf einen Außenstehenden machte er den Eindruck eines gutmütigen Onkels – korpulent, kahlköpfig, mit rundem Gesicht, die meiste Zeit grinsend.
    »Wir sind da anderer Meinung«, blieb sie gelassen.
    Borochov lachte.
    »Wollen Sie mir

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