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Tag und Nacht und auch im Sommer

Tag und Nacht und auch im Sommer

Titel: Tag und Nacht und auch im Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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seine Frau nie zum Abendessen ausführen, nur um einfach einen schönen Abend zu verbringen, bei dem man nicht jeden Bissen im Mund umdrehen muß, um herauszubekommen, welche Gewürze verwendet wurden oder was alles in der Sauce ist. Wer würde mit einer Frau in ein Restaurant gehen wollen, die alles über Essen und Wein weiß? Da würde man doch die ganze Zeit nur darauf achten, was sie beim ersten Bissen für ein Gesicht macht. Nein, nein, die Frau habe ja vielleicht einen tollen Beruf, mit dem sie einen Haufen Geld verdiene, aber es würde einem schon bald zum Hals raushängen, immer nur vom Feinsten essen zu müssen, und wie einem das bekommen würde, stehe noch mal auf einem ganz anderen Blatt.
    Dann gebrauchte ich zum erstenmal im Leben ein Wort, das ich noch nie gebraucht hatte. Ich sagte, nichtsdestotrotz, und wiederholte, nichtsdestotrotz werde ich aus euch lauter kleine Mimi Sheratons machen.
    Ich bat sie, über die Schulkantine oder das Restaurant nebenan zu schreiben. Kein einziger schrieb eine positive Kritik über die Kantine. Drei beendeten ihren Aufsatz mit denselben beiden Wörtern: Echt ätzend. Ich las begeisterte Kritiken über verschiedene Pizzerien und den Kiosk an der First Avenue, der Hot dogs und Brezeln verkauft. Ein Pizzeriabesitzer sagte den Schülern, er möchte mich gern kennenlernen und sich dafür bedanken, daß ich die Aufmerksamkeit auf sein Lokal gelenkt und sein Metier zu Ehren gebracht hätte. Einfach phantastisch, daß dieser Lehrer mit dem irischen Namen seine Schüler dazu anhalte,
die feineren Dinge im Leben zu würdigen. Wann immer ich Appetit auf eine Pizza hätte, nicht nur ein Stück, sondern eine ganze, stehe mir seine Tür weit offen, und ich könne mir auch den Belag ganz nach Wunsch aussuchen, selbst wenn er dazu extra jemanden ins Feinkostgeschäft schicken müsse.
    Ich tadelte die Schüler wegen ihrer allzu billigen, abfälligen Kritiken der Schulkantine. Zugegeben, sagte ich, das Ambiente ist trostlos. Da würde Mimi euch beipflichten. Man könnte die Kantine mit einer U-Bahnstation oder einem Speisesaal beim Militär verwechseln. Ihr beklagt euch über den Service. Die Frauen an der Essensausgabe sind zu unfreundlich. Sie lächeln nicht genug. Ach herrje. Das verletzt eure Gefühle. Sie knallen euch einfach das Essen aufs Tablett. Aber was erwartet ihr? Was meint ihr, wie schnell euch das Lächeln vergeht, wenn ihr euch mal selber da hinstellt?
    Stopp, sage ich mir. Keine Predigten. Den Fehler hast du vor Jahren schon mal gemacht, mit deiner Litanei über die Französische Revolution. Wenn sie die Kantine echt ätzend finden, dann dürfen sie das auch schreiben. Wir leben in einem freien Land, oder nicht?
    Ich frage sie, was sie damit meinen, daß das Essen echt ätzend ist. Ihr seid Schriftsteller. Wie wär’s, wollt ihr nicht euern Wortschatz ein bißchen aufmöbeln? Was würde Mimi schreiben?
    Ach, Mann, Mr. McCourt, muß es denn immer nur Mimi und noch mal Mimi sein, wenn wir über Essen schreiben?
    Trotzdem, was meint ihr mit echt ätzend?
    Das wissen Sie doch.
    Was?
    Na ja, daß der Fraß ungenießbar ist.
    Und warum?
    Schmeckt wie Arsch und Friedrich. Oder nach gar nichts.
    Könntest du »Arsch und Friedrich« ein bißchen genauer definieren?

    Mr. McCourt, Sie sind ja ein netter Kerl, aber manchmal können Sie einem den letzten Nerv rauben.
    Jack, weißt du, was Ben Jonson gesagt hat?
    Nein, Mr. McCourt, ich weiß nicht, was Ben Jonson gesagt hat.
    Er hat gesagt, die Sprache verrät den Menschen. Sprich, auf daß ich dich erkenne.
    Ah, das hat Ben Jonson gesagt?
    Das hat Ben Jonson gesagt.
    Ganz schön geistreich, Mr. McCourt. Der sollte mal mit Mimi essen gehen.

15
    A m Elternsprechtag haben die Kinder ab Mittag schulfrei, von eins bis drei kommen die Eltern in Scharen, und dann wieder am Abend von sieben bis neun. Wenn alles vorbei ist, trifft man die Kollegen an der Stechuhr, und alle sind müde, weil sie mit Hunderten von Müttern und Vätern geredet haben. Wir haben dreitausend Schüler an dieser Schule, das entspräche eigentlich sechstausend Müttern und Vätern, aber wir sind in New York, wo Scheidung eine beliebte Sportart ist und die Kinder sich selbst zusammenreimen müssen, wer wer ist und was was und was wann passieren wird. Dreitausend Kinder könnten zehntausend Eltern und Stiefeltern haben, die zutiefst überzeugt sind, daß ihre Sprößlinge zur geistigen Elite gehören. Das hier ist die Stuyvesant High School, wo sich in dem Moment, da

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