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Tag vor einem Jahr

Titel: Tag vor einem Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Geraghty
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mich daran zu erinnern, wie es sich anfühlt, und war entsetzt, als ich feststellte, dass ich es nicht konnte.
    »Au.« Ich war bereits bei meinem Tisch angekommen, ohne dass es mir aufgefallen war, und stieß mir die Hüfte an der scharfkantigen Ecke an. Peter saß an seinem Tisch und tippte nach wie vor wild auf der Tastatur seines Computers herum, der vermutlich ausgeschaltet war. Niall telefonierte in seinem Büro, wahrscheinlich mit seiner Frau. Soweit ich hören konnte, ging es um Himbeer-Fruchtzwerge.

    »Wir sind noch gar nicht dazu gekommen, uns über das Gespräch mit dem Chef heute Nachmittag zu unterhalten.« Bernard stand vor meinem Tisch, seine Finger lagen um eine dampfende Tasse Kaffee. Ich riss meinen Blick los von ihnen und sah hoch. Er setzte sich auf die Kante meines Schreibtischs, nahe genug für eine Berührung.
    Ich schob meinen Stuhl zurück.
    »Können wir das gleich nach dem Mittagessen machen? Ich muss die Tabellenkalkulation für die Sitzung fertigstellen.« Ich wollte ganz dringend, dass er an seinem Schreibtisch saß und nicht wie ein ablenkender Briefbeschwerer auf meinem. Bernard stand sofort auf.
    »Sicher. Kein Problem.« Ebenso schnell wie er gekommen war, war er wieder weg. Und ich konnte mit meiner Arbeit weitermachen – nach einer Weile.
    Gegen 12 Uhr 30 hörte ich das Klappern von Absätzen auf der Treppe, die Schritte klangen selbstbewusst, gleichmäßig – und nachdrücklich. Ich schaute auf, konnte aber niemanden sehen. Da war nur das Geräusch der Schritte, die näher und näher kamen. Keiner benützte die Treppe. Wir befanden uns um Himmels willen im dritten Stock. Es gab einen vollkommen tadellosen Aufzug.
    Die Schritte klangen nun schriller. Der einzige Mensch, der je diese Treppe benutzt hatte, war Caroline, und die arbeitete nicht mehr hier. Ein Schauder lief mir den Rücken hinab. Ich hielt meinen Blick auf das Treppenhaus gerichtet. Jetzt konnte ich das Obere eines Kopfes erkennen. Und Haare. Blond und lang. Die Schritte verhallten, und der Kopf verschwand aus meinem Blickfeld, dann tauchte er ebenso plötzlich wieder auf. Die Haare wirkten jetzt fülliger und zerzauster. Die Schritte erklangen wieder, jetzt lauter. Nach dem Kopf wurde der Körper sichtbar, hochgewachsen und sehnig. In ein Kostüm gezwängt,
das sich scharf an der Grenze der erlaubten Bürokleidung bewegte und dessen Rock so kurz war, dass er als gerade noch nicht unanständig durchging. Die Länge der Beine, die Höhe der Absätze, dieses Haare-aus-der- Stirn-Werfen. Das alles konnte nur zu einer Frau gehören. Und so war es. Es war Caroline O’Brien. Und sie sah aus, als würde sie es ernst meinen.

38
    »Hallo, Grace.« Ihre Stimme klang belegt, als sie an meinen Schreibtisch trat. »Ich war in der Gegend und dachte, ich komm mal vorbei und schau, ob du Zeit zum Mittagessen hast.«
    Sie war gut. Sie lehnte sich über den Schreibtisch näher zu mir und erlaubte mir – und jedem hinter mir (Bernard) – einen Blick auf ihren Brustansatz, der jetzt größer wirkte, da sie ihre Brüste in diesen BH eingezwängt hatte, den sie gern als Wunder-Ding bezeichnete.
    »Ach, Bernard, hallo. Ich hab dich gar nicht gesehen.« Caroline hob den Kopf, nahm ihre Beute ins Visier. Für den unbeteiligten Beobachter musste es so aussehen, als hätte sie ihn gerade eben erst registriert. Ich wusste es besser.
    »Mir war gar nicht bewusst, dass Grace und du so eng zusammenarbeitet.« Sie ging zu ihm, und mir war klar, dass sie Strümpfe und Strapse trug statt der am Mittwoch üblichen Strumpfhosen, die wir gern so weit wie möglich hochzogen, damit sie uns warm und bequem genug waren.
    Bernards Gesicht hatte sich im Schatten von Carolines durchtrainiertem, superschlankem Körper verdüstert.
    »Wieso kommst du nicht mit uns zum Mittagessen?« Während Caroline das sagte, wandte sie sich mir zu. »Es macht dir doch nichts aus, Grace, nicht wahr.« Dabei handelte es sich eher um eine Feststellung als um eine Frage.
Von mir wurde nun erwartet, mich an einen dringenden Termin zu erinnern, um die beiden in trauter Zweisamkeit zum Essen gehen zu lassen. Ich sagte nichts, worauf Caroline Bernard den Rücken zudrehte und mir einen bedeutungsvollen Blick zuwarf.
    Bernard sah von der einen zur anderen. Er hatte eigentlich überhaupt noch nichts gesagt.
    »Wie wäre es mit einer Pizza und einer Flasche Wein im Milanos?«, schlug Caroline vor. Sie versuchte mich mit dem bösem Blick zu bannen. Ich wollte Ja sagen – und nein,

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