Tag vor einem Jahr
sollte es jetzt anders sein?
37
Da stimmte etwas nicht. Gerade einmal fünf Minuten war ich im Bett und hatte eben meine Arme um mein Kissen geschlungen, als der Wecker klingelte. Ich hatte vergessen, wie grauenhaft ein Cosmopolitan-Kater war. Hätte ich ihn beschreiben müssen, hätte ich ihn verglichen mit der Geburt eines Elefanten durch ein winziges Loch oben im Kopf.
Irgendwie schaffte ich es, um acht Uhr im Büro zu sein. Eine Meisterleistung, die Ciaran nicht entging, der seine Kappe zog, als ich an dem Wächterhäuschen vorbeiraste und beim ersten freien Parkplatz, der mir begegnete, eine Vollbremsung einlegte.
»Guter Gott, Grace. Bei diesem Tempo beförderst du dich noch ins Grab.« Ich taumelte auf ihn zu.
»Rieche ich nach Alkohol?« Ich atmete in seine Richtung und wartete auf das Urteil.
»Ich kann Pfirsich riechen …«, begann er.
Ich erinnerte mich. »Das wird der Pfirsichschnaps sein, den ich zwischen dem zweiten und dritten Cosmopolitan getrunken habe. Noch etwas?«
Ciaran kam näher heran und schnüffelte erneut wie ein Hund an einem Laternenpfahl.
»Da ist eindeutig ein Hauch von Coco Mademoiselle. Da verwette ich meinen Jahresvorrat an Haggis drauf.«
»Herrje, wie schwul bist du eigentlich?« Ich hätte den alten Dummkopf am liebsten umarmt, aber das wäre ihm vielleicht peinlich gewesen.
Ich saß in der Küche und wartete auf Bernard. Ich wartete so, wie Leute im Sprechzimmer eines Arztes warten: sah beständig auf die Uhr, las eine drei Monate alte Ausgabe des Now -Magazins und zählte die gesplissten Enden meiner Haare. Als ich bei über fünfzig war, hörte ich auf.
»Oh, hier bist du. Entschuldige, dass ich zu spät bin.«
Als er kam, stand ich am Kühlschrank und überlegte mir, meinen Kopf ins Tiefkühlfach zu stecken, um zu sehen, ob das half – keine Angst, ich machte es nicht wirklich, ich überlegte es mir nur, und auch nur ganz kurz (etwa fünf Sekunden, vielleicht sogar weniger).
Es tat weh, wenn ich lächelte, also hörte ich damit auf.
»Geht es dir gut?« Bernard kam in die Küche, er hatte wieder seine üblichen Klamotten an. Jeans, die einmal schwarz gewesen waren, inzwischen aber einen ausgewaschenen Grauton und ausgebeulte Knie hatten, zu hoch in der Taille saßen und zu knapp über den Knöcheln. Weißes T-Shirt. Wie weiß? Oh, sehr weiß. Unglaublich weiß. Blendend weiß. Ich musste wegsehen und zwinkern, um wieder normal sehen zu können. Sobald ich mich von ihm abgewandt hatte und mich an der Theke mit dem Wasserkessel, dem Wasser, den Löffeln und so weiter beschäftigte, konnte ich ihm antworten.
»Ich habe, um ehrlich zu sein, einen Kater.«
»Von was?«
»Von vier Cosmopolitans.« Den Pfirsichschnaps konnte ich nicht erwähnen. Allein schon bei dem Gedanken daran spürte ich, wie sich mir der Magen umdrehte. Ich dachte an etwas anderes: Welpen in einem Weidenkorb, die mit einer Schottenkaro-Decke zugedeckt waren. Mein Magen beruhigte sich wieder.
»Ja, das ist eine Erklärung«, sagte er. »Setz dich hin und trink deinen Kaffee. Ich mache dir ein Toastbrot.«
»Nein, ich kann kein …«
»Du wirst dich danach besser fühlen.« Und ich fühlte mich davon besser. Davon und von den zwei Aspirin, die ich schon zuvor geschluckt hatte.
Erst als ich mich an den Tisch gesetzt hatte und Toast aß, fiel mir sein Gesicht auf. Er war blass und hatte dunkle Augenringe, durch die seine braunen Augen fast schwarz wirkten.
»Geht es dir gut? Du siehst müde aus.«
»Ich habe heute Nacht nicht genug geschlafen, das ist alles.«
»Oh.« Ich stellte mir sofort alle möglichen Ursachen vor. War er aus gewesen? Mit einer Frau? Oder hatte er sich im Bett hin und her geworfen, während er sich fragte, wie Caroline in der Uniform eines Zimmermädchens aussah? Oder noch schlimmer, in der Tracht einer Krankenschwester? Bernard öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder und beschäftigte sich damit, seinen Toast zu schneiden. Er schnitt ihn zuerst in Längsrichtung und dann der Breite nach, wodurch er vier perfekte Quadrate auf dem Teller liegen hatte. Hätte man sie ausgemessen, hätte man festgestellt, dass sie alle exakt die gleiche Größe hatten. Dann nickte er mit dem Kopf, als hätte ich etwas gesagt, und begann zu sprechen.
»Ich vermute, es war wegen meiner Mutter.« Er sagte es, als würde er laut denken. »Es geht ihr seit Edwards erster Gedenkmesse nicht gut. Scheinbar macht sie ihre Trauer um ihn jetzt noch einmal durch.« Jetzt schnitt er seinen
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