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Tag vor einem Jahr

Titel: Tag vor einem Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Geraghty
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nicht zurück, formte aber Worte mit dem Mund, die ich nicht verstand. Allerdings war mir klar, dass es nichts Abfälliges sein konnte, denn er lächelte. Und dann war er weg.

    »Himmel, Grace, was ist mit dir passiert?« Es war Ciaran, der sich, die leere Pfeife im Mundwinkel, aus seinem Parkhäuschen beugte. Ich hatte mein orangefarbenes Gesicht ganz vergessen. Tatsache war, dass ich seit dem Park nicht mehr dran gedacht hatte. Ich lächelte Ciaran an.
    »Bräunungsunfall.« Ich trat in die Wärme seines Kabuffs.
    »Ach, das war doch wohl nicht der neue Apparat bei Tan-R-US, oder?« Verdammt, wie kam es, dass alle über Thomas Bescheid wussten, nur ich nicht? Und warum hatte es mir niemand gesagt? Das Gesundheitsamt hätte eine Rundmail schicken sollen. Ciaran musterte mit tiefem Mitgefühl mein Gesicht.
    »Guter Gott, es muss wirklich schrecklich aussehen, oder?« Ich versuchte im Schiebefenster einen flüchtigen Blick auf mich selbst zu erhaschen. Glücklicherweise konnte ich nichts sehen.
    »Ach, es ist nicht so schlimm.« Ciaran ruderte zurück. »Wenigstens bist du nicht mehr so blass wie heute Morgen.«
    Er drehte mir den Rücken zu und schenkte zwei Becher mit dampfendem Kaffee ein, denen er Sahne und braunen Zucker zufügte. Für beides besaß er sogar Kännchen und Schale, die richtig zueinanderpassten. Darüber hinaus förderte er eine Schachtel Kekse zu Tage, Schokoladen-Kimberleys, meiner Meinung nach die Königin der Kekse, die zwei meiner Lieblingsdinge miteinander verbindet: Schokolade und Marshmallows, mit einem Hauch Ingwer. Er verbrachte viel Zeit damit, seinen Kaffee umzurühren, und ich wusste, dass er gerade den Mut sammelte, mich etwas zu fragen.
    »Also, äh«, sagte er schließlich. »War das der neue Junge, Bernard, aus dessen Wagen du gerade gestiegen bist?«
Er hielt uns alle für viel jünger, als wir wirklich waren, vielleicht war das auf die Geschichte mit den Wasserpistolen im letzten Jahr zurückzuführen.
    Als ich lächelte, konnte ich im Spiegelbild des Fensters nur meine Zähne sehen. So strahlend waren sie seit meinen Milchzähnetagen nicht mehr gewesen.
    »Ja, das war er«, stimmte ich ihm zu. »Ich habe ihn in der Stadt getroffen. Wir sind zum Park gefahren.«
    »Zum Park?« Ciaran beugte sich vor.
    »Ja, wir haben Rehe gesehen. Es war … nett.«
    »Er ist ein netter junger Mann«, war alles, was Ciaran dazu sagte, aber an der Art, wie er seine Tasse in den Händen drehte, konnte ich sehen, dass er sich seinen Teil dachte.
    »Sein Bruder ist auch tot«, sagte ich plötzlich.
    Sollte Ciaran über meine indirekte Erwähnung Patricks überrascht gewesen sein, ließ er es sich nicht anmerken. Er wusste alles. Vermutlich war das wohl so, wenn man hier unten arbeitete.
    »Shane kommt morgen nach Hause. Nur übers Wochenende, meine ich. Aber immerhin.« Ciaran nahm einen langen Zug aus seiner Pfeife, und dann tat er etwas, was absolut nicht zu ihm passte: Er mischte sich ein. Zuerst räusperte er sich leise hustend.
    »Weiß du, Grace, Bernard hat mich am Samstagmorgen nach dir gefragt. Er hat sein Auto abgeholt, und zwar unmittelbar bevor du gekommen bist.« Mein Herz machte diese komische Sprunggeschichte, die, bei der man den Eindruck hat, dass es hinten in der Kehle schlägt statt in der Brust.
    »Was willst du damit sagen?«
    »Er hat nach Shane gefragt.«
    »Aber er kennt Shane nicht einmal. Oh Gott, er kennt ja mich kaum.« Meine Neugierde war allerdings größer
als jede Verärgerung, die ich vielleicht hätte empfinden können.
    »Was hat er gesagt?«
    »Er hat gesagt, dass er dich am Freitag getroffen hätte, und er wusste, dass du einen Freund hast. Er wollte wissen, ob es etwas Ernstes sei. So was in der Art.«
    Jetzt ging ich auf und ab. Drei Schritte bis zum einen Ende des Kabuffs, drei Schritte zurück. Es war nicht viel Platz hier drin.
    »Und was hast du ihm erzählt?«
    »Ach, eigentlich nichts. Nur dass du Shane seit einer Weile nicht mehr gesehen hast. Dass er nach London gegangen ist.«
    »Aber auch, dass er zurückkommt, nicht wahr? Ich habe dir doch erzählt, dass es nur für ein halbes Jahr ist, oder?« Ich blieb stehen und fixierte Ciaran mit starrem Blick.
    »Ich kann mich echt nicht erinnern.« Ciaran wich mir aus, beschäftigte sich eingehend mit einem losen Knopf an seiner Weste. Ich setzte mich wieder und seufzte laut auf.
    »Himmel, Ciaran, das sieht dir gar nicht ähnlich.«
    »Wir haben uns im letzten Monat fast jeden Morgen unterhalten. Nur über

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