Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
irgendwie weiß. Das Weiß zielte ins Silberne, Edle, aber nicht zu stark, eher unterschwellig. Der Teppich rot, aber nicht irgendein Rot. Weinrot.
Das Logo war gleichzeitig der Name der Moderatorin, Vor- und Nachname, in großen, symmetrischen Buchstaben, die Lasse gefallen hätten. Der Vorname durchlässig, um die Demut des Zuhörens zu illustrieren, der Nachname fett gedruckt, aber weiß, ein fettes Weiß, das für Entschlossenheit, Angriffslust, aber auch für sanfte Überparteilichkeit stand. Weiß wie die Unschuld.
Je länger sie die Entwürfe betrachtete, desto besser gefielen sie ihr. Sie hatte in den wenigen Stunden sehr effektiv und erfolgreich gearbeitet. Sie stand auf und holte das Telefon, um Mariella anzurufen und ihr Bescheid zu geben, dass sie die Entwürfe fertiggestellt hatte und dass alles in Ordnung war.
Sie saß auf dem Sofa, hielt das Telefon in der Hand und wählte. Gerade als sie neu beginnen wollte, klingelte es. Die Stimme des Mannes kannte sie nicht, ebenso wenig den Namen, den er nannte.
»Es geht um Ihre Tochter«, sagte er.
Sie schwieg.
»Sie wissen … sicher, dass sie bei uns in der Gerichtsmedizin ist. Weil zunächst die Umstände des Unfalls zu klären sind …«
»Ja«, sagte sie. Ich wusste es nicht, dachte sie. Ich hatte keine Ahnung, wo meine Tochter ist. Irgendwo. Draußen. Spielen.
»Also … ich rufe an, um Ihnen zu sagen, dass Sie … die Beerdigung in die Wege leiten können …«
»Nein«, sagte sie.
»Ich …«
»Ich habe keine Zeit«, sagte sie.
»Sie …«
»Nein, entschuldigen Sie, es ist anders. Ich brauche noch Zeit. Verstehen Sie. Ich brauche mehr Zeit. Viel mehr Zeit.«
»Das … verstehe ich, aber …«
»Kann ich Sie anrufen, morgen? Ich habe Ihre Nummer auf dem Display.«
»Ja, sicher …«
»Danke, bis dann.«
Sie unterbrach die Verbindung und legte das Telefon zur Seite. Sie wartete lange auf den Impuls, etwas zu tun, aber es kam keiner. Sie blieb einfach sitzen und stellte sich vor, dass sie den Laptop zuklappen, die Blätter mit den Entwürfen ordentlich zusammenlegen und den Kaffee austrinken würde, irgendwann, sobald sie die Kraft dafür fand.
ERSTER MAI
27
Am Morgen schien die Sonne durch Wolken, die in einer schiefen Ebene vor einem unnatürlich blauen Himmel zu hängen schienen, und es begann zu schneien.
»Oh«, sagte Réka.
»Tatsächlich Schnee«, sagte Sedin.
»Dann lass uns mal … wie heißt das … eine Schneeball…«
»Schneeballschlacht.«
»Genau.« Ihr Gesicht hellte sich auf, die Müdigkeit war erloschen. »Los geht’s.«
»Das ist Pulverschnee, Réka. Da ist nichts mit Schneebällen.«
»Hm. Schade.«
»Aber wir schauen nachher noch mal. Nach dem Frühstück.«
»Hm«, sagte sie, und ihr Gesichtsausdruck ließ ihn erahnen, dass im Laufe des Tages noch eine Schneeballschlacht stattfinden würde, wie und wo auch immer.
Gegen Mittag gingen sie raus, und Réka triumphierte, denn aus dem Pulverschnee war tatsächlich der perfekte Schneeballschlachten-Schnee geworden, und sie warf in so kurzen Abständen und derart zielgenau, dass Sedin kaum zum Atemholen, geschweige denn zum Formen eines Schneeballs kam. Irgendwann lag er auf dem Boden, inmitten des in Weiß gehüllten Parks, unter einer kühlen, unendlich angenehmen Sonne, und kapitulierte, mit hoch erhobenen Händen.
»Alles ok, Réka, alles ok. Du hast gewonnen.«
Der letzte Schneeball streifte seine Stirn, und ihm war ein wenig schwindlig, während sie auf der Bank saßen und langsam zu Atem kamen. Réka zündete sich eine Zigarette an und schien in Gedanken zu versinken. Als er sie ansah, war ihr Blick verschlossen, wie manchmal, von einem Moment auf den anderen.
»Alles klar?«, fragte er.
Sie nickte.
»Denkst du an … deine Mutter?«
»Ja. Ein bisschen.«
»Aber es ist doch sehr schön, dass alles … besser geworden ist.«
»Ja«, sagte sie. »Markus, musst du eigentlich bald los? Du hast doch gesagt, dass du nachmittags …«
»Ach … Mist, das habe ich fast …« Er richtete sich auf und tastete die Manteltaschen nach dem Handy ab. »Ich Idiot, ich habe um drei den Termin mit den Japanern …«
»Ja, das hattest du gestern gesagt …«
»Danke dir. Ich gehe schnell hoch und mache mich … frisch. Nicht dass mir die Kollegen diese Niederlage hier anmerken …«
»Was?«
»Diese Niederlage … also, dass ich verloren habe, gegen dich, in der Schneeballschlacht.«
Sie lachte.
»Sehe ich sehr … zerknittert aus?«
»Geht schon«, sagte
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