Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
Eevert im Raum stehen, schweigend. Kirsti saß vor dem Tisch, die Tasse in der Hand.
»Dann lasst uns gehen«, sagte er und durchquerte zügig den Raum, zog sich die Jacke an. »Lasst uns gehen«, sagte er noch einmal und öffnete die Haustür, Licht floss herein.
Hanne und Eevert kamen in den Flur, zögernd, er wartete auf sie, schon auf der Schwelle zu einem sonnigen Tag stehend, und dann ging er auf den weißen VW Polo zu, den die Versicherung ihm als Leihwagen zur Verfügung gestellt hatte.
»Eevert, kannst du deine Tochter …«, sagte Hanne in seinem Rücken.
»Was?«, fragte Eevert.
»Ich bitte dich darum, deine Tochter noch mal zu fragen, ob sie …«
»Es gibt nichts zu fragen«, sagte Lasse Ekholm. »Steigt ein, ja?«
»Aber Kirsti muss doch zur Beerdigung ihrer eigenen Tochter …«
»Sie kann nicht«, sagte Ekholm. »Verstehst du das? Sie kann nicht, es geht nicht. Ich bitte euch, jetzt einzusteigen, wir müssen los.«
Sie stiegen ein, Hanne setzte sich nach hinten, Eevert auf den Beifahrersitz. Lasse Ekholm verschaltete sich und würgte den Motor ab, als sie an einer Ampel standen. Er hörte das Hupen und sah in das Gesicht eines Mannes, der wild und wütend gestikulierte, während er mit quietschenden Reifen überholte.
Hanne, auf dem Rücksitz, hatte zu weinen begonnen, und Ekholm dachte an den Mechaniker von der Werkstatt, der angerufen und ihm gesagt hatte, er habe da diesen Unfallwagen reinbekommen, und die Leute vom Abschleppdienst hätten gesagt, der Eigentümer sei ein Herr Ekholm, ob das so weit stimme, ob er da richtig sei. Das hatte Ekholm bestätigt, und der Mechaniker hatte gesagt, die Reparatur werde zwischen sechs- und siebentausend Euro kosten und ob und wie das Ganze denn versicherungstechnisch geregelt sei.
Versicherungstechnisch, hatte er gedacht.
Vor dem Friedhof standen Kinder, Lasse Ekholm erkannte Laura, Annas Freundin, und ihre Klassenlehrerin, die am Tag zuvor angerufen hatte, um Bescheid zu geben, dass sie kommen würden, alle gemeinsam, die ganze Klasse.
Eevert griff nach Hannes Hand, als sie auf den Eingang zuliefen, und Lasse Ekhom dachte, dass es gut war. Es war gut, dass seine Eltern nicht mehr lebten. Dass sie nicht hatten miterleben müssen, wie ihre Enkeltochter gestorben war, in einem Wagen sitzend, den ihr Sohn gesteuert hatte. Es war gut, dass sie nicht dabei sein mussten, am Tag ihrer Beerdigung.
Er ging auf die Lehrerin zu, den Blicken der Kinder ausweichend, und begrüßte sie. Dann ging er weiter, an Menschen vorbei, die er vermutlich kannte, er nickte allen zu, ohne die Gesichter zu erkennen. Die Pfarrerin kam ihm entgegen, sie sagte etwas, er führte ein Gespräch mit ihr, obwohl er ihre Worte nicht verstand und seine eigenen vergaß, sobald er sie ausgesprochen hatte. Er fühlte sich plötzlich nackt in seinem blauen Pullover, er zog den Reißverschluss der Jacke ganz nach oben, um das Blau des Pullovers zu bedecken, die Jacke war schwarz.
Dann saß er in der ersten Reihe vor dem Sarg und sah die junge Pfarrerin, ihre Lippen bewegten sich, sie sang. Neben ihm waren Hanne und Eevert, beide senkten den Blick auf ein Blatt Papier, vielleicht das Lied, das gesungen wurde, im Hintergrund glaubte er, die Stimmen der Kinder zu hören.
Dann sprach die Pfarrerin, er hörte Fetzen der Worte, die sie gemeinsam erarbeitet hatten, in ihrem Büro im Gemeindehaus sitzend, vor wenigen Tagen erst. Er hatte ihre ruhige, ernsthafte, nüchterne Art gemocht und ihr dabei zugesehen, wie sie die Worte, die von Anna erzählen sollten, mit einem Kugelschreiber in ein kleines Notizbuch geschrieben hatte.
Dann war wieder Musik um ihn herum und ein Gebet, wieder Gesang und dann, als sich das letzte Wort verloren hatte, Stille.
Er ging nach draußen, umgeben von Menschen, allein. Blicke streiften ihn, Kollegen aus dem Büro, Freunde, Verwandte. Er stand vor dem Grab, neben Hanne und Eevert, und erwiderte den Händedruck von Menschen, die an ihn herantraten. Einige der Kinder, Annas Schulfreundinnen, weinten, er sah in das Gesicht von Laura, Annas bester Freundin, und hörte ihre Stimme, hörte sie laut und deutlich, obwohl Laura schwieg, er hörte Worte, die längst gesprochen worden waren. Im Dunkel, im Schnee, vor der Eishalle. Ob Anna nicht mitkommen könne, zum Abendessen.
Oh ja, sagte Anna.
Von mir aus gerne, sagte Lauras Mutter.
Ich fürchte, das geht nicht, sagte er.
Und dann waren sie eingestiegen und losgefahren.
Er fühlte eine Hand in seiner, einen
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