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Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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passieren würde. Aber wahrscheinlich nicht, denn ein Blitz und ein Licht waren keine Personen, keine Wesen, die in einem Gerichtssaal sitzen und sich einem Kreuzverhör des Juristen Ari Kauppinen unterwerfen würden.
    Die anderen lachten, offensichtlich hatte Ari das Thema gewechselt, etwas Lustiges gesagt.
    »Du magst es ja gut durchgebraten«, sagte Kirsti.
    Er sah sie an. Ihr Blick war verschleiert und entspannt. Sie hatte lange keine größeren Mengen Alkohol getrunken, jetzt wirkte er umso schneller und intensiver. Er wollte sie umarmen, und er dachte, dass es schön war, sie so zu sehen. Entspannt, fast ausgelassen. Es wirkte echt.
    »Lasse … hallo … den muss man irgendwann mal … aus dem Feuer nehmen …«, sagte Kirsti.
    Er folgte ihrem Blick.
    »Entschuldigung«, sagte er, nahm den Spieß aus dem Öl und legte das verkohlte Stück Fleisch in ein Taschentuch.

IN EINER ANDEREN ZEIT, AN EINEM ANDEREN ORT
66
    Habe die Rohrbomben gut verpackt vergraben, im Wald auf der Insel, griffbereit. Kostüm gebügelt. Gewehr und Schießeisen parat gelegt. Munition reichlich vorhanden. JoJoJoJo, fucking JO .
    Auf dem BILDSCHIRM flimmert eine ANFRAGE von alter Freundin, angel-in-darkness. Ob ich da sei.
    –
    Friend-of-fire? Bist du da?
    –
    No.
    –
    …
    –
    Fällt ihr wohl nichts mehr ein, der Schlampe …
    –
    …
    –
    Oder doch. Da kommt ein Textchen.
    –
    Ich brauche jemanden. Dich. Zum Reden. Sagt sie.
    –
    Jo …
    –
    No.
    –
    Bitte. Sagt sie.
    –
    Wenig Zeit. Bin in EILE .
    –
    Warum? Fragt sie.
    –
    Warum? Warum? WARUM ?
    –
    …
    –
    Kannst du mir sagen, warum?
    –
    No.
    –
    …
    –
    Was willst du von MIR ?!
    –
    Vielleicht später? Fragt sie.
    –
    No.
    –
    Warum?
    –
    Gibt kein Später.
    –
    Morgen?
    –
    Kein Morgen.
    –
    …
    –
    Ausgeloggt, die Schlampe.
    Bye-bye.
    Arrivederci.
    Tschüss und ciao.
    Have a good time.
    God bless you.
    Und so weiter.
67
    Mari Beck legte das Notebook auf den Abstelltisch. Sie saß, gegen Kissen gelehnt, und versuchte, nachzudenken, aber es ging nicht. Sie weinte, ohne es zu spüren, eine der Krankenschwestern machte sie darauf aufmerksam. Sie fragte, ob sie helfen könne.
    »Was?«, fragte Mari Beck.
    »Sie weinen. Ich möchte fragen, ob ich helfen kann. Wir können Ihnen das nie versprechen, aber ich kann Ihnen aus meiner Erfahrung sagen, dass alles gut verlaufen ist.«
    »Was?«
    »Ihrem Baby geht es den Umständen entsprechend gut. Es liegt im Inkubator, aber es gibt keine Anzeichen eines Atemnotsyndroms.«
    Mari Beck nickte und hatte das Gefühl, nach der Erinnerung nicht greifen zu können, obwohl es erst wenige Tage zurücklag. Sie hatte ein Kind zur Welt gebracht. Sie konnte sich nicht daran erinnern, und sie hatte das Kind erst einmal gesehen. Einen Augenblick lang, der ein intensives Bild geschaffen hatte und vergangen war.
    »Alle Werte sind stabil«, sagte die Schwester. Sie lächelte. »Manche können es einfach nicht erwarten, ich denke immer, dass es ein Ausdruck von Vorfreude sein kann. Auf das Leben.«
    Nicht warten, dachte Mari Beck. Keine Sekunde länger. Unto hatte komisch geklungen. Noch komischer als sonst.
    Kein Morgen … kein Später …
    Als die Schwester gegangen war, stand sie auf, suchte ihre Kleider zusammen und zog sich an. Sie lief auf schwachen Beinen, aber sie lief. Die Gänge waren leer, die Mitarbeiterinnen im Schwesternzimmer wendeten ihr den Rücken zu.
    Als sie ins Freie trat und auf den Taxistand zuging, dachte sie an das Kind, das ihren Körper verlassen hatte. Einige Wochen zu früh. Sie nannte dem Taxifahrer die Adresse ihres Bruders und lehnte sich zurück.
    Alles stabil, dachte sie.
    Wenn sie an das Baby dachte, spürte sie nichts, aber das würde kommen. Mit der Zeit.
    Sie spürte, dass es kommen würde, irgendwann würde sie sagen können, dass es begonnen hatte, dass es angefangen hatte, was auch immer.

AUGUST
68
    Am frühen Abend öffnete Kimmo Joentaa seinen Mail-Account und fand eine Nachricht von veryhotlarissa, eine Nachricht, die einige Stunden lang auf ihn gewartet hatte. Die erste Nachricht seit recht langer Zeit, eine lange Nachricht, ungewöhnlich lang.
    Er las die Worte und dachte, dass Larissa hier war. Gleich würde sie im Raum stehen, es würde sich anfühlen, als sei nur eine Sekunde, ein Atemzug vergangen.
    Von: veryhotlarissa@pagemails. fi
    An: kimmojoentaa@turunpoliisilaitos. fi
     
    Hei Kimmo,
    ich denke, du wartest auf mich, oder? Wartest dir die Beine in den Bauch.
    Das denke ich

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