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Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Titel: Tagebuch aus der Hölle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Thomas
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daran zu erinnern, wie unrecht ich damit hatte, dem Wort des Sohnes nicht zu folgen. Und um mich daran zu erinnern, wie tief ich deswegen gesunken bin.«
    »Hm. Sehen Sie, mein Freund, genau das ist das Tragische an Leuten wie Ihnen. Sie haben ein paar wirklich gute Eigenschaften. Sie waren fast da, Sie hätten es fast geschafft.«
    »Ich wünschte, es gäbe eine Möglichkeit für uns, Buße zu tun.«
    »Nun, das ist genau der Punkt. Man muss zu Lebzeiten Buße tun. Nicht erst, wenn es zu spät ist.« Ohne das Buch umzudrehen und es auf den hinteren Seiten aufzuschlagen, auf denen ich dieses Tagebuch niederschreibe, stellte Turner es wieder so ins Fenster, wie er es vorgefunden hatte. »Was ist das … Ihr Wachposten?«, scherzte er.
    »Wohl kaum, ohne Mund«, witzelte ich zurück. »Ich, äh, ich möchte nur, dass es etwas zum Anschauen hat.«
    »Sie haben ein sehr großes Herz, nicht wahr? Jede Menge Mitgefühl für Dämonen. Und Menschen wie ihn, die besonders streng gemaßregelt wurden …«
    »Vielleicht ist das meine Charakterschwäche.«
    »Weniger eine Charakterschwäche als vielmehr fehlgeleitete Güte. Ich respektiere Sie dafür – das tue ich wirklich.« Turner seufzte. »Ah, nun ja, es war einen Versuch wert, Sie erneut aufzusuchen … ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Chara viel davon hätte, sich mit Ihnen zu treffen. Sollte sie jedoch wirklich so verrückt sein, dann teilen Sie ihr bitte mit, worüber wir nachdenken – dass wir die gesamte Dämonenbevölkerung Oblivions austauschen wollen. Vielleicht stellt sie sich ja freiwillig, wenn sie ihren Artgenossen gegenüber ebenso große Loyalität empfindet wie diese es anscheinend ihr gegenüber tun.«
    »Falls ich sie je sehen sollte, Sir, dann seien Sie versichert, dass ich es ihr ausrichten werde.«
    »Guter Mann.« Er tätschelte mir den Arm, als er an mir vorbeiging. Der Himmelsbote schwebte vor ihm her, um meine Tür für ihn zu öffnen. Turner war bereits auf die Schwelle getreten, als er sich noch einmal zu mir umdrehte und sagte: »Sie sollten den Umgang mit Nadel und Faden üben, das ist nicht allzu schwer. Keine Fertigkeit, derer sich ein Mann schämen müsste.«
    »Sir?«
    Turner deutete auf den Riss in meinem Hemd, der entstanden war, als Chara es mir vom Körper gerissen hatte.
    »Oh … nun … ja, das habe ich tatsächlich noch nie probiert. Aber das sollte ich wohl.«
    »Ja, sollten Sie. Meine Mama hat es mir beigebracht. Hat sich schon mehr als einmal in meinem Leben als nützlich erwiesen.«
    »Ich weiß, dass ich ziemlich schäbig aussehe, und ich will mich auch wirklich nicht über mein wohlverdientes Schicksal beschweren, Sir, aber ich bin ein armer Mann.«
    »Ja, aber Sie haben noch immer Ihren Stolz, nicht wahr? Stolz ist keine Sünde, sage ich immer.« Er gestand dies mit einem Flüstern, so als wolle er verhindern, dass der Himmelsbote ihn hörte. »Nur übertriebener Stolz.«
    »Ja, Sir.«
    »Dieser Freund, den Sie besucht haben, als ich vorhin schon einmal hier war … war das eine Frau?«
    »Sir?«
    »Wenn dieser Freund eine Frau ist, vielleicht könnte sie Ihnen dann ja bei den Näharbeiten helfen.«
    »Oh. Nun, nein, es war ein männlicher Arbeitskollege. Aber vielleicht weiß er ja auch, wie man näht.«
    »Haben Sie keine Angst davor, etwas Neues zu lernen«, tadelte er mich scherzhaft. Dann drehte er sich endlich um und der Himmelsbote schwebte gespenstisch hinter ihm her.
    In meiner halb erstickten Panik hätte ich beinahe die Tür zugeknallt, so quälend war es, sie langsam und leise zu schließen. Trotzdem fiel es mir schwer, mir nicht einzureden, Inspektor Turner stehe noch immer direkt vor meiner verschlossenen Tür.

Neunundsechzigster Tag
    Hast du gehört, was passiert ist?«, platzte es aus Larry heraus, als er in den Pausenraum stürzte. Ich hatte mir ein bescheidenes Mittagessen mitgebracht und saß allein an einem fest im Boden verankerten Metalltisch. Der Mann am Nebentisch hatte seinen Kopf auf seine verschlungenen Arme gelegt und schluchzte leise.
    Mit lautem Rauschen schoss irgendeine Flüssigkeit, vielleicht Abwasser oder Chemieabfälle, durch das dicke Rohr, das an der Decke entlanglief und unter der Masse sichtbar erzitterte, und ich wartete, bis das Geräusch verklungen war, bevor ich fragte: »Nein, was ist denn passiert?«
    »Ich schätze, du konntest die Schüsse von deinem Platz aus nicht hören.«
    »Welche Schüsse?«
    »Bei mir drüben haben wir sie gehört, aber natürlich konnten wir

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