Tagebuch der Apokalypse 01
Untoter heran. Sie marschierte vorbei. Es war unmöglich, sie zu zählen, aber eins wusste ich: Wenn sie wollen, kriegen sie uns auch hier auf dem Schwimmsteg. Ihr Vorbeimarsch erinnerte mich an einen Stadtmarathon. Ihre schiere Anzahl reichte aus; sie brauchten sich nur ins Wasser zu stürzen. Ich war des Weglaufens müde, aber die Insel ist groß. Ich bin sicher, dass wir nie genug Waffen und Munition finden werden, um alle hiesigen Untoten zu töten. Hätten wir doch im Tower von Corpus Christi ein paar Tage mehr zum Planen gehabt. John hat wieder schwache Funksprüche von den Überlebenden aufgefangen, die in der Dachkammer festsitzen. Das ist auch so eine Sache, die einem an die Nieren geht.
26. Februar
9.23 Uhr
Heute Morgen haben wir die Funkgeräte abgehört. Scheint so, dass die Dachkammerbewohner noch leben. Wir können sie aber noch immer nicht mit unserem Sender ansprechen. Der Mann heißt William Grisham: er ist derjenige, der sendet. Hin und wieder hört man im Hintergrund eine weibliche Stimme, aber ich kann nicht erkennen, ob sie einem Kind oder seiner Frau gehört. Er sagt, dass sie nicht infiziert sind und noch genug Proviant und Wasser für eine Woche haben, aber die Geräusche, die die Leichen unter ihnen machen, sie in den Wahnsinn treiben.
Er glaubt offenbar nicht, dass er und seine Familie ohne Hilfe lebendig da rauskommen. Nach einem Blick auf die Flugtabelle, die wir behalten haben, könnten wir nochmal mit dem Boot nach Seadrift fahren, uns einen Wagen suchen und versuchen, nach Victoria zu fahren. Ich weiß nicht mal, warum ich so denke. Sie sind kaum mehr als achtzig Kilometer von uns entfernt. Wir wären fünfzehn Kilometer auf dem Wasser. Bleiben ungefähr 130 Kilometer gefährlicher Reise. Ich kann John nicht bitten, mitzukommen. Eigentlich wäre es mir auch lieber, wenn er hierbliebe. Er ist hin- und hergerissen zwischen Hilfsbereitschaft und der Möglichkeit, seinen Kumpel zu verlieren - oder das Falsche zu tun und seiner Seele verlustig zu gehen. Meine Gedanken kommen phasenweise. Ich wäre nur sehr ungern in dieser Position, aber ich befand mich schon einmal in ihr und habe gehandelt. Ich wählte das Leben.
21.45 Uhr
William hat den Tag hindurch immer wieder gesendet. Er klingt verzweifelt. Ich kann nicht aufhören, ihm zu lauschen, weil er eine menschliche Stimme ist. Sein unerträgliches Geschwafel bringt meinen Geist in einen Irrgarten der Dunkelheit. Ich spüre, dass ich helfen muss. John und ich haben die Sache ausführlich besprochen. John will mit Annabelle hierbleiben und das Fort halten. Mir kommt William inzwischen beinahe wie ein guter Bekannter vor. Aus irgendeinem seltsamen Grund hat er fast eine halbe Stunde lang darüber schwadroniert, was ihm durch den Kopf geht. Ich nehme an, dass er allmählich in einen Schockzustand gerät und das Funkgerät als emotionales Ventil verwendet. Er hat über seinen Job gesprochen. Bevor es losging, war er Chemiker gewesen. Ich habe seiner Stimme gelauscht und konnte seine Ehrlichkeit und Integrität und seine Angst, die Familie zu verlieren, beinahe spüren. Ich habe das Gefühl, helfen zu MÜSSEN . Heute Nacht werde ich alles vorbereiten - und morgen aufbrechen.
27. Februar
8.20 Uhr
Ich breche gleich auf. Ich fahre wieder mit dem Boot nach Seadrift und lege den Rest der Strecke entweder mit einem Auto oder zu Fuß zurück. Könnte sein, dass ich ein paar Tage brauche. In einem Boot habe ich ein CB- Funkgerät gefunden. Es ist nicht ganz leicht und batteriebetrieben, aber wenn ich mich in Reichweite von Williams Funkgerät befinde, werde ich es einsetzen und ihn anfunken. Ist doch sinnlos, die letzten dreißig Kilometer hinter mich zu bringen und dann festzustellen, dass William und seine Familie schon zu den anderen gehören. Ich habe noch fast 500 Schuss von dem übrig, was ich im Tower bergen konnte, ohne die Kugel, die ich verwendet habe, um dem Lageristen in den Kopf zu schießen. Funkgerät, Wasser, Waffe, Munition, Proviant und sonstiger Kleinkram wiegen zusammen siebzig Pfund. Deswegen wäre mir ein Auto schon lieber.
Ich will mir in Seadrift einen Reiseatlas zulegen und (falls ich zu Fuß gehe) die nach Victoria führenden Straßen im Dunkeln zurücklegen. Ich kann das Risiko nicht eingehen, dass mich unterwegs irgendwas Lebendiges oder Totes sieht. Solange das CB sendet, bleibe ich mit John in Verbindung. Ich kenne die Reichweite des Geräts zwar nicht, aber ich bin sicher, von Seadrift aus noch mit ihm reden zu
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