Tagebuch der Apokalypse 01
halb voll. Ich kam in die Süßwarenabteilung und schnappte mir einen Schokoriegel.
Als ich ihn auspackte, wurde mir bewusst, wie lange ich schon so lebte. Der Riegel schmeckte schal. Egal, ich brauchte Energie. Im Spielwarenregal fand ich einen kleinen Teddybären und verstaute auch ihn. Nach dem Verzehr der Süßigkeit suchte ich nach einem Fluchtweg.
Ich befand mich am Haupteingang. Die Kette war ein schweres stählernes Standardmodell. Für den Fall, dass ich hier rausmusste, wollte ich vor der Tür nicht auf und ab gehen. Es war unmöglich, das schwere stählerne Schloss aufzukriegen, ohne es zu zerballern oder hundertmal mit einer Axt darauf einzuschlagen. Ich holte Klebeband aus dem Ladenregal Leise klebte ich den unteren Abschnitt der Glastür ab, wobei ich darauf achtete, nicht gesehen zu werden.
Es dauerte einige Minuten, doch bald war der ganze Abschnitt überdeckt. Ich nahm einen hinter der Ladentheke hängenden Feuerlöscher und schlug zu. Es war weniger laut als erwartet, aber zu laut für mich. Ich lief schnell dorthin zurück, wo ich hergekommen war, durch den bewaldeten Streifen zum Parkplatz des Schwimmstegs. Ich war über eine Stunde fort gewesen. Ich durchquerte den Wald. Ich rannte beinahe. Vor mir konnte ich die Lichtung sehen.
Im Wald tauchten zwei Gestalten auf. Ich erledigte sie und rannte weiter. Als ich die Lichtung erreichte, setzte mein Herzschlag aus. Da waren viel mehr Untote als zuvor. Ich lief am Parkplatz vorbei und bemühte mich, nicht bemerkt zu werden. Ich hatte keine andere Wahl. Ich musste mich bemerkbar machen. Ich lief zum Pier hinaus, obwohl ich wusste, dass sie mich sahen. Ihr orchestriertes Stöhnen wurde vom Wasser reflektiert und echote aus allen Richtungen, was mich fast bis zur Fötalposition demoralisierte.
Ich war im Fluchtmodus. Ich rief Williams Namen. Von unserem Boot war nichts zu sehen. Ich lief weiter. Noch immer kein Boot. Als ich nach hinten schaute, sah ich die Meute zum Pier strömen. Kein Ausweg. Vor mir lagen noch drei Meter Pier, und die Untoten waren sieben Meter hinter mir. Wie hungrig sie waren. Sie waren das verfaulende und verwesende Böse. In ihrem Wahn stießen sie ihre Dämonenkollegen ins Wasser.
Jeder wollte der Erste sein, der in mein Fleisch biss. Ich drehte mich um und lief.
Ich tauchte ins Wasser ein und schwamm davon. Ich schwamm eine ganze Minute auf der Seite, bevor ich auf der Stelle trat und zum Pier zurückschaute. Sie wimmelte von Untoten. Sie war derart überfüllt, dass viele, die keinen Platz fanden, herunterfielen. Ich war allein und schwamm auf der Stelle. Ich bildete mir fortwährend ein, dass unter Wasser irgendwas war, das an meinen Stiefeln zog. Ich hatte fürchterliche Angst und schluckte versehentlich Wasser, das auch noch in meine Luftröhre geriet. Ich malte mir aus, wie viele Untote schon in diesen trüben Tiefen verrotteten.
Dann: das Brummen eines Motors. Meine ganze Ausrüstung war noch an mir festgeschnallt, aber es überrascht einen, wie leicht man schwimmt, wenn man nur ein wenig Luft in seine Kleidung bläst. Ich winkte dem Boot aufgeregt zu. Es war William. Er sah mich.
Das Boot schaltete in den Leerlauf und trieb mit laufendem Motor zu mir herüber. Ich reichte William meinen Rucksack und mein Gewehr. Dann zog ich mich eigenhändig an Bord. William berichtete, dass der Parkplatz sich kurz nach meinem Abmarsch gefüllt hätte. Um für meine Sicherheit zu sorgen, hatte er versuchen müssen, die Untoten vom Pier wegzulocken. Ich überprüfte meinen Rucksack. Nur wenig Wasser war in die Tiefkühlbeutel eingedrungen. Nicht genug, um den Inhalt zu verderben.
Wir fuhren zu John, Janet, Laura und Annabelle zurück. Ich war nass. Mir war kalt. Den Proviant, den wir hatten holen wollen, hatten wir nicht bekommen. Wäre das Boot nicht aufgetaucht, weiß ich nicht, wie die Geschichte ausgegangen wäre. Ich weiß nicht genau, wie lange ich hätte schwimmen können. Die Meute wäre mir sicher am Ufer entlang gefolgt, bis meine Kräfte nachgelassen hätten. Hätte ich mich meiner Niederlage ergeben, wäre ich irgendwo an Land gestolpert, in offene Arme, die meinen erschöpften Leib zerrissen hätten ...
Die Iden des März
15. März
18.22 Uhr
Ich habe gestern und heute gegen die Erkältung angekämpft, die ich mir bei meinem letzten Schwimmabenteuer eingefangen habe. Außerdem habe ich mein Gewehr getrocknet und gereinigt. Nur in einer Welt wie dieser kann eine normale Erkältung einer Todesstrafe gleichkommen.
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