Tagebuch der Apokalypse 01
ein leises Gurgeln.
Das Ding hatte keine Augen mehr, die Fische hatten sie gewiss schon vor Wochen verzehrt. Es hatte lange im Wasser gelegen. Ich zog es auf den Pier. Als der Torso auf dem Trockenen lag, sah man, dass die Beine fehlten. Da es noch immer gefährlich war, beschloss ich, es mit einem Messerstich in die linke Augenhöhle zu erledigen. Ich hielt den Kopf mit dem Haken fest, schob die Klinge vorsichtig hinein und neutralisierte das jämmerliche Elend.
Es dauert bestimmt lange, bis ich mich wieder entschließen kann, mich aus Gründen der Entspannung in ein Gewässer zu begeben. Ich zog die Gangway mit dem Flaschenzug an Land. Mit dem Hakenstab schleifte ich das Ding über die Straße. John deckte mich mit dem Gewehr. Als Laura mich die Leiche fortschleppen sah, fing sie an zu weinen. Ich fühlte mich schlecht, und als ich die grässliche Masse über den Boden zog, hasste ich das Ding noch mehr. Als der schleimige Torso über den von der Sonne erhitzten Gehsteig schrammte, hinterließ die Leiche auf dem Boden schwarze Schlieren.
27. März
19.51 Uhr
Draußen heult der Wind. Das Ächzen der Untoten scheint mit jedem Tag lauter zu werden. Jetzt sind es mehrere Dutzend, die vor dem Schwimmsteg am Ufer entlangpatrouillieren. In jeder Sekunde, die sie dort sind, muss ich mich ermahnen, nicht rauszugehen und sie umzunieten. Heute Nacht werde ich mir wieder 9mm- Patronen in die Ohren stecken, denn der Lärm ist einfach unerträglich. Obwohl eine neue Nacht hereinbricht, kann ich die Schleifspuren des Untoten am Ufer noch sehen, den ich gestern ausgeschaltet habe.
Wir sind alle der Meinung, dass es Zeit für einen Umzug ist. Wir haben uns ein Zieldatum von einer Woche gesetzt. Bis dahin wollen wir weitere Vorräte organisieren und einen passenden Ort aussuchen. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass der, der nicht umzieht, sterben muss. Und wenn man nicht stirbt, wird man einer von ihnen. Das ist schlimmer.
Atlantis
28. März
13.00 Uhr
Wir sind im Boot. Heute früh, gegen 2.00 Uhr, ist ein Glaskelch, den Laura auf dem Köderregal hat stehen lassen, aus keinem erkenntlichen Grund zu Boden gefallen. Ich war sofort auf den Beinen und kam mir wie betrunken vor. Es fiel mir schwer, auf den Beinen zu bleiben. Mir war, als ginge ich den am Boden liegenden Glasscherben bergauf entgegen. Ich schaltete das Licht an. Schließlich dämmerte mir, was los war.
Ich hatte mich schon gefragt, wieso Murphys Gesetz so lange brauchte. Wir sanken! Der Abend zuvor war stürmisch gewesen. Er hatte uns ein bisschen geschaukelt. Ich nehme an, dass mangelnde Wartung. fehlende Inspektionen und das Wüten der Natur dem Schwimmsteg schließlich den Rest gaben. Ich weckte die anderen auf und wies John und William an, die Vorräte zusammenzutragen. Ich hatte keine Ahnung, wie viel Zeit uns noch blieb, bis alles absoff. Das ungleich verteilte Gewicht gegen den Auftrieb würde irgendwann die Balkenstützen brechen und die ganze Konstruktion sinken lassen.
Wir hatten keine Zeit, leise zu sein. Ich setzte mein Nachtsichtgerät auf und machte mich sofort daran, die Bahama Mama abfahrbereit zu machen. Der von mir erzeugte Lärm und das über Gebühr beanspruchende Knarren des Holzes hatte die Menge schon angezogen. Durch die Körnigkeit meiner Optik konnte ich ungefähr zwanzig Gestalten ausmachen. Sie sahen fürchterlich aus. Ich hatte das untrügliche Gefühl, dass sie, wenn es denn eine gab, geradewegs aus der Hölle kamen. In der Fantasie spürte ich ihren teuflisch heißen Atem an meinem ganzen Körper.
Obwohl ich genau wusste, dass sie im Dunkeln nichts sahen, schauten viele in meine Richtung. Sie nahmen die Geräusche auf und legten den Kopf schief wie verwirrte Hunde, die ihrem Herrchen lauschen. Sie befanden sich in unterschiedlichen Stadien des Verfalls. Ihre Augen konnte ich durch das Gerät nicht sehen; es waren nur dunkle Kreise, die das unheimliche Grauen, das sie darstellten, noch verstärkten.
Janet, Tara, John, William und ich bildeten eine Kette, um unseren Kram an Bord zu schaffen. Nach kaum einer halben Stunde kippte bereits eine Ecke des Schwimmstegs einen halben Meter tief ins Wasser. Dies führte dazu, dass die entgegengesetzte sich um etwa dreißig Zentimeter aus dem Wasser hob. Was bedeutete, dass die Konstruktion überlastet war.
Ich legte Annabelle den Maulkorb an, trug sie und Laura ins Boot und setzte sie ab. Die Untoten lallten uns die Ohren voll. Ich sagte leise zu Laura, sie solle sich keine Sorgen machen,
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