Tagebuch der Apokalypse 02
hatte von dort oben eine verdammt gute Aussicht und auch noch genügend Licht, um mein Lager aufzuschlagen. Ich legte meine Decke aus und band den Rucksack an einem Schornsteinrohr fest. Mit dem Bauchgurt des Rucksacks befestigte ich das gesicherte Teil an meinem Arm, damit ich im Schlaf nicht vom Dach rollte. Es gelang mir auch, einen Teil des Rucksacks als Kissen zu verwenden. Daher ist es hier oben gar nicht so ungemütlich, zumal ich dick angezogen bin und unter meiner Wolldecke liege. Gute Nacht.
Sträflingskolonne
11. Oktober
12.32 Uhr
Kalter Regen weckte mich. Ich warf einen Blick auf meine Uhr, die 5.20 Uhr anzeigte, und erkannte anhand meiner nervend klappernden Zähne schnell, dass meine Körpertemperatur rapide sank. Ich war wahnsinnig durstig und kämpfte mich durch die Kälte, um in meinen Rucksack zu greifen und ihm einen alten, etliche Tage zuvor erbeuteten Einmann Ration Kunststoffbeutel zu entnehmen. Nachdem ich die Wolldecke um meinen kalten Leib gewickelt und meinen Fuß in einen Rucksackgurt geschoben hatte, beugte ich mich übers Dach und hängte den Beutel am Rand auf. wo das Wasser ununterbrochen auf den Vorbau des ersten Stocks hinablief.
Als er voll war, trank ich das nach Schindeln schmeckende Wasser gierig. Als er leer war, füllte ich ihn ein weiteres Mal. Ich kämpfte gegen die Kälte, die mich derart zittern ließ, dass ich beinahe vom Dach fiel, und sammelte so lange Wasser, bis die Blase wieder aufgefüllt war. Ich packte meinen Kram (ohne die Wolldecke) erneut um, ließ den Trinkschlauch der Blase aus dem Rucksack hängen und überlegte, ob ich mich wieder auf den Weg machen sollte. Soweit ich es vom Dach aus sah, waren keine Untoten in der Nähe. Mit dem Messer ritzte ich die Wolldecke auf und zog sie mir wie einen Poncho über den Kopf. Da sie aus Wolle bestand und nass war, wäre es Unsinn gewesen, sie zu verstauen. Schließlich speichert auch nasse Wolle Wärme.
Dann versuchte ich die Leiter für meinen Abstieg auf das Vorderdach in Position zu bringen. Als ich sie nach unten gleiten ließ, rutschte sie mir ein Stück aus den Händen und schlug mit einem lauten Knall auf dem Vordach auf. Ich schob sie dorthin, wo ich sie haben wollte, schulterte meinen Rucksack und machte mich an den Abstieg. Als ich nach unten kletterte, schien der Regen stärker zu werden. Ende der Leiter angekommen wäre ich vor Schreck fast in die Tiefe gesprungen. Eine Kreatur, die der Krach der Leiter angelockt hatte, drückte ihre Nase an eine Fensterscheibe im zweiten Stock.
Das Ding sah mich. Ich positionierte die Leiter schnell am Boden, um hinabzusteigen. Das Ding schlug auf die Scheibe ein, um sie zu zertrümmern und sich auf mich zu stürzen. So wie es klang, waren die Schläge jedoch nicht stark genug, um das Glas zu zerschlagen. Ich wollte eigentlich nicht darüber nachdenken, aber die Bilder und Erinnerungen, die ich im Kopf hatte, als ich unten ankam, betrafen keinen erwachsenen Leichnam, sondern ein Kind.
Ich ließ die Leiter stehen, wo sie stand, und machte mich zur Straße auf, über die ich gekommen war. Der Regen führte dazu, dass ich mich elend fühlte. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als irgendwo ein Feuer anzünden und meine Klamotten zum Trocknen aufhängen zu können. Ich dachte an Zentralheizungen und Klimaanlagen, und mir wurde bewusst, wie abhängig wir von elektrischem Strom sind, um als Gesellschaft existieren zu können. Ich wette, bei Hitzewellen haben wir jeden Sommer Tausende alter Menschen verloren.
Da es schon eine Weile her war, seit ich das Funkgerät ausprobiert hatte, beschloss ich, einen neuen Versuch zu machen und sandte auf der voreingestellten Notfrequenz einen Hilferuf aus. Nach drei erfolglosen Versuchen schaltete ich das Gerät in den Peilimpulsmodus und nahm mir vor, es einige Minuten so laufen zu lassen. Ich folgte dem Verlauf des Highways, aber der Regen hörte nicht auf. Mir fiel ein, dass ich die Straße am Tag zuvor als Highway 59 identifiziert hatte.
Als der Regen leicht nachließ, hörte ich wieder das mir bereits vertraute Summen des fernen Motors. Seit dem Absturz und den hinter mir liegenden Seen und Kilometern hatte ich das Geräusch mehrmals vernommen. Manchmal glaubte ich, es sei vielleicht eine Folge meiner Kopfverletzung und der sich anschließenden Entzündung. Ich rieb über die Stelle, an der Tage zuvor noch die Naht gewesen war. Ich spürte die Wunde praktisch nicht mehr. Sie war auch nicht länger empfindlich.
Ich folgte der
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