Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition)
die Forderungen der Demonstranten gehen weiter, sie wollen einen Wechsel des Systems und demokratische Wahlen. Und das wäre das Ende des jetzigen Systems.
Mittlerweile entschuldigte sich der ägyptische Ministerpräsident Ahmed Schafik für die Angriffe auf die Mubarak-Gegner vom Vortag, die mindestens drei Tote und 600 Verletzte forderten. Er kündigte die Aufnahme von Ermittlungen an. Trotzdem waren die Baltagiya auch am Donnerstag wieder auf der Straße.
ORF ZIB 13, 3.2.2011, 13:00
ORF: Nicht nur CNN-Reporterinnen werden attackiert. Karim El-Gawhary in Kairo, was erleben Sie und Ihre Mitarbeiter in diesen Stunden?
Karim El-Gawhary: Wir wollten hier gerade eine ganz normale Live-Schaltung machen, ich bin ins Studio reingekommen, um zu schalten, und sah auf einmal, dass alle Kameraleute mit Prügeln dastanden – und ich habe mich gewundert: „Was ist denn hier los?“ Was passiert ist: Mehrere dieser Schlägertrupps haben versucht, in dieses Studio einzudringen, zweimal haben sie das Studio angegriffen. Sie sind die Treppe hochgekommen, unten ist die Tür in Scherben. Das Einzige, was die Situation gerettet hat, war das Militär, das direkt vor unserem Studio steht und das die Kameraleute gerufen haben. Das Militär hat sofort drei oder vier Soldaten geschickt, die dann reingekommen sind und die Schläger vertrieben haben. Draußen, wirklich wenige Meter vor mir, während wir hier schalten, stehen die Leute mit Riesenprügeln da und warten, ob die Schläger noch einmal kommen. Der Kameramann, der mich gerade filmt, hat einen Feuerlöscher neben sich gestellt, für den Fall, dass sie kommen – es herrscht eine sehr angespannte Atmosphäre, denn diese Schläger haben es eindeutig auch auf Journalisten abgesehen. Sie haben auch schon einige Studios angegriffen, zum Beispiel jenes des TV-Senders Al Arabiya, es ist nur zwei Häuser von hier entfernt. Die Arbeit wird für uns hier immer schwieriger, wir haben’s jetzt auch kaum geschafft, live zu gehen, weil die Leute hier im Studio alle Kameras versteckt haben, als die Schläger gekommen sind. Wir haben’s gerade in den letzten Sekunden geschafft, diese Kamera hier aufzubauen.
ORF: Angespannte Lage also. Sie waren am Vormittag auch am Tahrir-Platz – was haben Sie dort gesehen?
Karim El-Gawhary: Auch dort ist die Lage angespannt. Ich bin von der Seite reingegangen, wo die ganzen Schlägertrupps stehen, ich wollte mir einfach einmal anschauen, wie das aussieht, wollte eigentlich zu den Demonstranten vorstoßen. Aber die Schlägertrupps um den Platz herum kontrollieren auf einmal jeden. Sie sind auch auf mich zugekommen und haben gesagt: „Wo willst du hin, was machst du, wo gehst du hin?“ Ich konnte die Situation nur entschärfen, indem ich ihnen meinen ägyptischen Personalausweis gezeigt habe. Da haben sie dann gesagt: „Aha, du bist also kein Ausländer, kein ausländischer Journalist.“ Dann haben sie mich gehen lassen. Und dann hat einer ganz stolz gesagt: „Wir haben gerade einen von diesen ausländischen Journalisten erwischt!“ Das ist die Stimmung bei diesen Schlägertrupps. Ich habe mich dann auch relativ schnell verdrückt, bevor es sich diese Trupps anders überlegen.
Tweets auf Twitter
3. Februar 2011, 16:31 Haben die Bürofenster mit Zeitungspapier abgeklebt, versuchen nicht aufzufallen.
3. Februar 2011, 17:42 Ich habe gerade mit Leuten auf dem Tahrir-Platz telefoniert. Sind kurioserweise guter Dinge und glauben, dass die Entscheidung bald fällt.
3. Februar 2011, 17:44 Wir haben gerade acht Schüsse mit größeren Kalibern gehört. Wissen aber nicht, woher sie kamen.
3. Februar 2011, 17:45 Sind immer noch im Büro im Zentrum verbarrikadiert und hoffen, dass sich die Schlägertrupps bald zurückziehen und wir wieder arbeiten können.
3. Februar 2011, 17:48 Omar Suleiman spricht gerade und hat Kreide gefressen. Kein Wort über Mubarak.
ORF, ZIB 1, 3.2.2011, 19:30
ORF: Wir sind froh, dass die Live-Schaltung zu Karim El-Gawhary heute Abend klappt. Es wird zusehends gefährlicher für Journalisten – Sie selbst sind jetzt in einem verdunkelten Studio. Ist denn Arbeiten für Journalisten überhaupt noch möglich, wie weit ist es noch möglich?
Karim El-Gawhary: Es ist sehr schwer geworden. Wir haben dieses Studio jetzt abgedunkelt, weil die Sorge besteht, dass das Licht, das von der Kamera nach draußen dringt, Leute auf dieses Studio aufmerksam machen könnte. Die letzte Meldung, die ich hier gerade bekommen habe: Ein Kollege vom
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