Tagebuch der Lust
ein wohlhabender Politiker ein Kostümfest in Atlanta gab. Sie war aufgeregt und schmiedete Pläne, was sie anziehen würde. Ich hörte nur mit halbem Ohr zu, denn Caleb hatte mich in der Nacht zuvor wieder einmal brutal genommen, und mir tat alles weh. Ich hatte aufgehört, die blauen Flecken an meinen Schenkeln zu zählen und trug nur noch langärmelige Kleidung, weil auch meine Arme übersät mit Hämatomen waren. Aber ich schwieg darüber und ertrug Calebs Demütigungen still und leise. Die Stimmung im Hause Sheldon hatte sich sowieso schon dramatisch verändert, und ich war alleine. Alisha war zu jung, um etwas gegen ihren Vater zu unternehmen, und Jethro ging mir aus dem Weg. Ich bekam ihn kaum noch zu Gesicht und wenn, dann sah er mich brennendem Verlangen an. Seinem Vater gegenüber wurde Jethro regelrecht hasserfüllt, doch was hätte er ausrichten können? Ich war mit Caleb verheiratet, und nur der Tod konnte uns scheiden.
„Das ist wunderbar“, sagte ich jetzt geistesabwesend zu Alisha und versuchte zu lächeln.
„Victoria, ich weiß nicht, was mit dir los ist, aber ich denke, es wird dir gut tun, das Haus mal zu verlassen. Wir werden uns einen schönen Abend machen. Thomas wird mich begleiten, und du wirst endlich andere Leute kennenlernen.“
„Ja, es wird sehr schön werden“, log ich, denn am liebsten hätte ich mir die Bettdecke über den Kopf gezogen und geweint.
Also ließen wir uns festliche Kleider schneidern, mit passenden Masken und Perücken. Ich hatte noch gar nicht mit Caleb gesprochen und so wusste ich auch nicht, ob er überhaupt vorhatte, diesem Fest beizuwohnen. Als Alisha ihn beim Abendessen darauf ansprach, gab er nur unwirsche Antworten und sagte, dass er selbstverständlich hin wollte. Er warf mir einen unmissverständlichen Blick zu, der besagte, dass ich mich an diesem Abend gefälligst wie eine glückliche Ehefrau verhalten sollte. Zwar sträubte sich alles in mir dagegen, ich wusste allerdings um die Konsequenzen, wenn ich es nicht tat. Also stimmte ich stumm zu.
Zwei Tage vor der großen Feier musste Caleb überraschend geschäftlich nach New Orleans. Scheu fragte ich, ob ich ihn begleiten dürfe, doch das lehnte er ab. Er verbot mir außerdem, dass ich mit Alisha und ihrem Verlobten zu dem Kostümball ging. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. So sehr Alisha sich auch bemühte, ihren Vater umzustimmen, er blieb hart. Er wollte nicht, wie er sagte, dass ich seine Geschäftsfreunde ohne ihn kennenlernte. Dann brach er auf und ließ Alisha und mich mit unserer Verzweiflung zurück.
Ein wenig beneidete ich Alisha, als sie am Abend des Festes, großzügig herausgeputzt, lachend die Treppe hinunter schwebte. Thomas, ihr gutaussehender Verlobter, erwartete sie bereits. Neidisch beobachtete ich, wie er sie verliebt anhimmelte und kam mir plötzlich unsagbar alt vor. Alisha führte das Leben, dass ich eigentlich wollte. Sie hatte einen Mann an ihrer Seite, der sie über alles liebte, während ich in die Rolle ihrer Stiefmutter geschlüpft war. Dennoch verabschiedete ich die beiden und wünschte ihnen einen schönen Abend. Ich sah ihnen nach, bis die Kutsche verschwunden war und stand dann unschlüssig im Eingangsbereich. Zum ersten Mal hatte ich das Haus ganz für mich alleine und fand es schauderhaft. Einzig die Diener wuselten um mich herum und gingen still ihrer Arbeit nach. Ich rief nach Molly, damit sie mir beim Ausziehen helfen konnte, doch als ich auf dem Weg nach oben war, kam mir plötzlich ein Gedanke.
„Molly“, rief ich aufgeregt. „Beeile dich! Ich habe etwas vor.“
Kapitel 7
„Entschuldigen Sie, Miss Victoria, dass ich etwas dazu sage. Aber ich halte das für keine gute Idee. Wenn Master Caleb das herausfindet ...“
„Papperlapapp“, erwiderte ich und verteilte großzügig weißen Puder in meinem Gesicht. „Mein Mann ist weit weg, und wie soll er es herausfinden, wenn mich niemand erkennt? Außerdem … ich kenne doch sowieso niemanden in Atlanta, mh?“
Molly seufzte. Dass ich sie in meinen wahnwitzigen Plan mit hineinzog, tat mir irgendwie leid, aber ich brauchte ihre Hilfe. Ich wollte zu dem Fest gehen – alleine. Und zwar inkognito! Keiner würde wissen, wer ich war, nicht einmal Alisha. Ich wollte mir von Caleb keine Vorschriften mehr machen lassen. Ich war nur knapp drei Jahre älter als Alisha und hatte es genauso verdient, fröhlich und ausgelassen zu sein. Es war nicht recht von Caleb, dass er mich behandelte, als wäre ich eine alte Frau
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