Tagebuch Eines Vampirs 01. Im Zwielicht
glühenden Augen“, von Eichen, in denen es spukt, und ähnliches. Aber ich erinnere mich, was uns in jener Nacht zugestoßen ist, und ich mache mir so meine Gedanken. Und bekomme Angst. Alle gerieten zuerst in Panik.
Die Kids durften nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr nach draußen, und wenn, dann nur in großen Gruppen. Aber das ist nun alles schon drei Wochen her. Es hat keine Überfälle mehr gegeben, und die Aufregung legt sich allmählich. Tante Judith meint, der Täter sei ein anderer Obdachloser gewesen. Tyler Smallwoods Vater hält es für möglich, daß der Alte sich die Verletzungen selbst beigebracht hat. Also, ich würde mal gern sehen, wie sich jemand in die eigene Kehle beißt. Die meiste Zeit war ich jedoch mit Plan B beschäftigt. So weit klappt alles ganz gut. Ich habe mehrere Briefe und einen Strauß roter Rosen von „Jean-Claude“ bekommen. (Der Onkel von Meredith hat einen Blumenladen.) Alle scheinen vergessen zu haben, daß ich mich jemals für Stefan interessiert habe. Meine Position in der Schulhierarchie ist unangefochten. Selbst Caroline hat keinen Ärger mehr gemacht. Im Grunde weiß ich gar nicht, was Caroline dieser Tage so treibt, und es ist mir auch egal. Ich sehe sie nie mehr während der Pause oder nach der Schule. Sie scheint sich von der alten Clique völlig zurückgezogen zu haben. Es gibt nur einen, der mir im Moment wirklich etwas bedeutet: Stefan. Selbst Bonnie und Meredith wissen nicht, wie wichtig er für mich ist. Ich habe Angst, es ihnen zu sagen. Und Angst davor, daß sie mich für verrückt halten. In der Schule bin ich cool und beherrscht.
Alles nur Schauspielerei. In mir
drinnen sieht es anders aus, und es wird mit jedem Tag schlimmer. Tante Judith beginnt, sich Sorgen um mich zu machen. Sie meint, ich würde nicht genug essen. Damit hat sie recht. Der Unterricht fließt an mir vorbei, ohne daß ich viel davon mitbekomme. Selbst so lustige Sachen, wie Vorbereitungen für das „Spukhaus“ zu treffen, die alljährliche Wohltätigkeitsparty der Schule, machten mir keinen Spaß. Ich kann mich auf nichts mehr konzentrieren. Nur noch auf ihn.
Und ich weiß selbst nicht, warum das so ist. Seit unserem ersten Zusammentreffen, das ja für mich in einer Katastrophe endete, hat er nicht mehr mit mir gesprochen. Aber ich muß dir etwas Merkwürdiges erzählen, liebes Tagebuch. Letzte Woche im Geschichtsunterricht sah ich hoch und hab ihn erwischt, wie er mich anschaute. Wir sitzen ein paar Plätze voneinander entfernt. Er hatte sich auf seinem Stuhl ganz umgedreht und blickte mich an. Einen Moment lang fürchtete ich mich fast, und mein Herz begann wie wild zu klopfen. Wir starrten uns nur an. Dann sah er wieder weg. Aber seither ist das zweimal passiert, und jedesmal habe ich seinen Blick gespürt, bevor ich hochschaute. Das ist die Wahrheit und keine Einbildung. Er ist so ganz anders als die Jungs, die ich bisher kennengelernt habe. Irgendwie kommt er mir einsam vor. Er scheint sich jedoch aus freien Stücken abzukapseln. Im Footballteam kommt er sehr gut an, aber er hängt nie mit seinen Kumpels herum, außer vielleicht mit Matt. Matt ist der einzige, mit dem er spricht. Er hat auch keine Freundinnen.
Vielleicht liegt das an dem Gerücht, er sei ein Junkie. Aber eigentlich ist es so, daß er andere Menschen mehr meidet, als sie ihn meiden. In den Pausen und nach dem Footballtraining verschwindet er. Ich habe ihn noch nie in der Cafeteria gesehen. Er lädt nie jemanden in sein Zimmer in der kleinen Pension ein. Und nach der Schule trifft man ihn auch nicht im Café. Wie kann ich ihn also irgendwohin locken, wo er mir nicht entkommen kann? Das ist das größte Problem bei Plan B.
Bonnie schlägt eine Scheune bei Gewitter vor, wo wir uns aneinanderkuscheln müssen, um nicht zu frieren. Und Meredith meint, mein Auto sollte direkt vor seiner Pension den Geist aufgeben. Aber keine dieser Ideen ist vernünftig, und ich verliere noch den Verstand, weil mir nichts Besseres einfällt.
Mit jedem Tag wird es schlimmer. Meine Nerven sind zum Zerreißen gespannt. Wenn ich nicht bald einen Ausweg finde, werde ich... Ich wollte doch tatsächlich schreiben, sterben.
Die Lösung wurde Elena plötzlich und auf dem Silbertablett dargeboten. Matt tat ihr leid. Sie wußte, wie sehr ihn die ganzen Gerüchte um „Jean-Claude“ verletzen mußten. Seitdem die Story die Runde durch die Schule gemacht hatte, hatte er kaum mit ihr gesprochen. Mit einem kurzen Nicken war er meist an ihr
Weitere Kostenlose Bücher