Tagebuch Eines Vampirs 01. Im Zwielicht
ein merkwürdiges Gefühl, während sie das häßliche Schulgebäude betrachtete. Etwas Entscheidendes würde heute passieren, das wußte sie ganz genau. Nach den friedlichen letzten Wochen schaltete ihr innerer Motor wieder auf Höchststufe. Ich bin bereit, dachte sie. Und hoffte, daß es auch stimmte. Drinnen herrschte reges Treiben. Sie und Matt wurden sofort umringt.
Es hagelte Komplimente. Für Elenas Kleid... ihr Haar... ihre Blumen. Und Matt war auf dem besten Weg, ein Held zu werden, der nächste Footballstar der Nation, ein sicherer Kandidat für ein Sportstipendium. In dem schwindelerregenden Durcheinander, das Elena eigentlich gewohnt war, suchte sie nur nach einem... Tyler Smallwood drängte sich an sie. Er roch nach einer Mischung aus Punsch, Eau de Toilette und Pfefferminzkaugummi. Seine Freundin versuchte Elena mit Blicken zu erdolchen. Elena achtete nicht auf Tyler und hoffte, daß er wieder abziehen würde. Mr.
Tanner kam vorbei. Er hielt einen durchweichten Pappbecher in der Hand und sah aus, als würde sein Kragen ihn erwürgen.
Sue Carson, die zweite Ballkönigin, beglückwünschte Elena zu ihrem violetten Kleid. Bonnie war bereits auf der Tanzfläche.
Ihre schwarzen Pailletten glitzerten im Licht. Doch nirgendwo konnte Elena Stefan entdecken. Noch eine Brise Kaugummiatem, und mir wird schlecht, dachte Elena verzweifelt. Sie wedelte mit der Hand, doch Tyler verstand nicht. Endlich stieß Elena Matt an. Sie flohen gemeinsam zum kalten Buffet, wo Trainer Lyman gerade einen Vortrag über das letzte Footballspiel hielt. Wieder kamen Paare und ganze Cliquen zu ihnen, redeten ein paar Minuten mit ihnen und machten dann Platz für die nächsten in der Schlange. Genauso, als ob wir wirklich ein Königspaar wären, dachte Elena und war nahe daran, hysterisch zu lachen. Sie sah Matt an, um festzustellen, ob er das Ganze auch lustig fand, doch er schaute starr nach links. Elena folgte seinem Blick. Dort, halb verborgen hinter ein paar Footballspielern, befand sich die Person, nach der sie den ganzen Abend gesucht hatte. Selbst im dämmrigen Licht war keine Verwechslung möglich. Ein Schauder, so heftig, daß es fast schmerzte, überlief Elena.
„Was jetzt?“ fragte Matt ernst. „Soll ich ihn fesseln?“ „Nein. Ich werde ihn um einen Tanz bitten, das ist alles. Wenn du willst, warte ich, bis wir zweimal getanzt haben.“ Er schüttelte den Kopf, und Elena machte sich durch die Menge auf den Weg zu Stefan. Während sie sich ihm näherte, sog sie jede Einzelheit an ihm in sich auf. Sein schwarzer Blazer war eine Spur eleganter geschnitten als die der anderen Jungs, und er trug darunter einen weißen Cashmere-Pulli. Er stand ganz still da und hielt ein wenig Abstand von der Gruppe um ihn herum.
Obwohl Elena ihn nur im Profil sehen konnte, erkannte sie, daß er keine Sonnenbrille trug. Natürlich nahm er die Sonnenbrille auch zum Footballspielen ab, aber sie hatte ihn noch nie aus der Nähe ohne gesehen. Das versetzte sie in eine freudige Erregung. Sie kam sich vor wie beim Kostümball um Mittemacht, wenn es Zeit war, die Masken abzunehmen. Sie konzentrierte sich auf seine Schulter, die Linie seines Kinns, als er sich plötzlich umdrehte und sie ansah. In diesem Moment wußte Elena, daß sie schön war. Es lag nicht nur an dem Kleid oder an ihrer Frisur. Sie selbst war schön. Stefans Blick bestätigte es. Sie sah, wie sich seine Lippen unwillkürlich öffneten und wieder schlossen. Dann schaute sie ihm in die Augen. „Hallo.“ War das ihre eigene Stimme? So ruhig, so selbstbewußt? Seine Augen waren grün. Grün wie die Eichenblätter im Sommer. „Amüsierst du dich gut?“ fragte sie.
Jetzt, ja. Er sagte es nicht, aber sie wußte, was er dachte. Sie konnte es an der Art erkennen, wie er sie anstarrte. Niemals zuvor war sie sich ihrer weiblichen Macht so sehr bewußt gewesen. Trotzdem sah Stefan nicht so aus, als ob er tatsächlich Spaß hatte. Er machte einen gepeinigten Eindruck, wie jemand, der Schmerz erleidet und es kaum eine Minute länger ertragen kann. Die Band spielte einen langsamen Song.
Stefan starrte sie immer noch an, schien sich an ihrem Anblick zu berauschen. Seine grünen Augen wurden ganz dunkel vor Verlangen. Elena hatte das Gefühl, daß er sie plötzlich an sich reißen und sie, ohne ein Wort der Erklärung, leidenschaftlich küssen könnte. „Möchtest du gern tanzen?“ fragte sie leise. Ich spiele mit dem Feuer, mit etwas, was ich nicht verstehe, dachte sie. Und genau in
Weitere Kostenlose Bücher