Tagebuch Eines Vampirs 01. Im Zwielicht
diesem Moment bekam sie Angst. Ihr Herz begann wie wild zu schlagen. Es war, als würden diese grünen Augen einen tief im Inneren verborgenen Teil ihres Ichs ansprechen. Flieh, lauf weg! schrie alles in ihr. Elena bewegte sich nicht. Dieselbe Kraft, die ihr Angst einjagte, hielt sie fest.
Alles gerät außer Kontrolle, dachte sie plötzlich. Was immer auch im Moment passierte, es ging über ihren Verstand. Es war weder normal noch mit Worten erklärbar. Doch es gab kein Zurück mehr. Obwohl sie sich fürchtete, genoß sie gleichzeitig das Gefühl, das er in ihr auslöste. Noch nie hatte sie das Zusammensein mit einem Jungen so intensiv erlebt, wie mit Stefan in diesem Moment. Und doch war gar nichts passiert. Er schaute sie nur wie hypnotisiert an. Sie erwiderte seinen Blick, und die Luft zwischen ihnen schien elektrisch geladen zu sein.
Sie sah, wie seine Augen noch dunkler wurden, wie er sich geschlagen gab. Ihr Herz tat einen wilden Sprung, als er langsam die Hand ausstreckte. Und dann war mit einem Schlag alles zerstört. „Nein, Elena, wie süß du aussiehst“, sagte eine Stimme, und Elena wurde fast geblendet von dem gleißenden Gold, das plötzlich vor ihr auftauchte. Es war Caroline. Sie trug ein Kleid aus purem Goldlama, das fast unanständig viel von ihrer perfekt gebräunten Haut zeigte. Rötliche Lichter schimmerten in ihrem dichten, kastanienbraunen Haar.
Besitzergreifend hakte sie sich bei Stefan ein und lächelte ihn verführerisch an. Die beiden ergaben ein tolles Paar. Sie sahen aus wie zwei Topmodels, die sich aus Versehen auf einen High-School-Ball verirrt hatten. „Und dein Kleidchen ist so niedlich“, fuhr Caroline fort, während Elena wie gelähmt dastand. Der wie zufällig um Stefan geschlungene Arm sagte ihr alles. Jetzt war ihr klar, wo Caroline in den vergangenen Wochen die Pausen verbracht und was sie im Schilde geführt hatte. „Ich hab Stefan versprochen, daß wir nur für einen Moment hereinschauen, aber nicht lange bleiben werden. Du hast doch nichts dagegen, daß ich ihn für die paar Tänze für mich selbst reserviere, oder?“ Elena war jetzt merkwürdig ruhig, ihr Verstand war wie leergefegt. Sie hörte sich wie mechanisch sagen, nein, sie hätte nichts dagegen, und sah zu, wie Caroline zur Tanzfläche ging. Stefan folgte ihr. Ein paar Leute umringten Elena. Sie wandte sich ab und stand Matt gegenüber. „Du wußtest, daß er mit ihr kommen würde“, sagte sie tonlos. „Ich hab nur gehört, daß sie ihn als Begleiter wollte.
Sie ist ihm in den Pausen und nach der Schule gefolgt. Hat sich ihm richtig aufgedrängt. Aber...“ „Verstehe.“ Immer noch unnatürlich ruhig, glitt ihr Blick suchend über die Menge. Sie sah, daß Bonnie auf sie zukam und Meredith ihren Tisch verließ. Sie hatten also alles mitbekommen. Wie vermutlich jeder im Saal. Ohne ein weiteres Wort zu Matt ging sie auf ihre Freundinnen zu und unwillkürlich in Richtung des Waschraums für Mädchen. Dort war es brechend voll. Meredith und Bonnie achteten darauf, daß sie sich nur über Belangloses unterhielten, während sie Elena voll Sorge ansahen. „Hast du Carolines Kleid gesehen?“ fragte Bonnie, während sie Elenas Hand heimlich mitfühlend drückte. „Das Vorderteil muß mit Klebstoff befestigt sein. In was wird sie sich wohl beim nächsten Ball wickeln? In Cellophan?“ „In Frischhaltefolie“, erwiderte Meredith trocken und fügte leise hinzu: „Bist du okay?“ „Ja.“ Elena betrachtete sich im Spiegel. Ihre Augen glänzten fiebrig, und auf jeder ihrer Wangen war ein hektischer roter Fleck aufgetaucht. Sie glättete ihr Haar und drehte sich um. Der Raum leerte sich. Schließlich waren die drei allein.
Bonnie spielte nervös mit der paillettenbesetzten Schleife ihres Kleides. „Vielleicht ist es ganz gut so“, meinte sie ruhig. „Schau mal, seit Wochen denkst du nur noch an ihn. Ach, Quatsch, seit über einem Monat schon. Jetzt kannst du mal was anderes machen, als nur... hinter ihm herzujagen.“ Ist ja toll, wie du dich an unseren Schwur erinnerst, dachte Elena. „Danke für deine liebe Unterstützung“, sagte sie laut. „Komm, Elena, sei nicht so ätzend“, warf Meredith ein. „Sie wollte dich nicht verletzen, sie glaubt nur...“ „Und das glaubst du auch, habe ich recht? Na, prima. Gut, wie ihr wollt. Ich werde jetzt rausgehen und mich mit anderen Dingen beschäftigen. Mir neue Freundinnen suchen, zum Beispiel.“ Sie wirbelte herum und rannte hinaus. Bonnie und Meredith
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