Tagebuch Eines Vampirs 01. Im Zwielicht
Friedhof, als Vickie Bennett angegriffen wurde.“
Tyler betonte jedes Wort. „Klar, er war auf dem Friedhof und hat dir das Gesicht poliert“, entgegnete Matt, doch seiner Stimme fehlte die übliche Überzeugungskraft. Tyler griff seine Bemerkung sofort auf. „Ja, er hat mich fast umgebracht. Und heute nacht hat jemand Tanner tatsächlich ermordet. Ich weiß nicht, was ihr denkt, aber ich glaube, daß Salvatore es getan hat. Er ist der Mörder!“ „Aber wo ist er?“ rief jemand aus der Menge. Tyler sah sich um. „Wenn er es war, muß er noch irgendwo hier stecken. Auf, Freunde, finden wir ihn!“ „Stefan hat nichts getan! Tyler...!“ rief Elena verzweifelt. Aber der Lärm der anderen übertönte sie. Tylers Worte wurden wie eine Litanei wiederholt. „Finden wir ihn... finden wir ihn...“ Elena hörte, wie sie vom einen zum anderen weitergegeben wurden.
Und die Gesichter im Stonehenge-Raum füllten sich immer mehr mit Mißtrauen. Elena erkannte in den Mienen auch Wut und Rachedurst. Von Tyler angestachelt, war die Menge außer Kontrolle geraten. „Wo steckt er denn, Elena?“ fuhr Tyler sie an.
In seinen Augen sah sie den unverhüllten Triumph. Er genoß das alles tatsächlich. „Ich weiß es nicht“, entgegnete sie scharf und hatte große Lust, ihn zu schlagen. „Er muß noch hier sein!
Suchen wir ihn!“ schrie jemand, und alle setzten sich schiebend und drängend in Bewegung. Die so liebevoll aufgebauten Kulissen wurden einfach niedergetrampelt oder achtlos zur Seite geschoben. Elenas Herz klopfte wie wild. Die harmlosen Besucher hatten sich in eine blutrünstige Meute verwandelt. Sie hatte Angst, was sie Stefan antun würden, wenn sie ihn fanden. Aber wenn sie versuchte, ihn zu warnen, würde sie Tyler direkt zu ihm führen. Sie sah sich verzweifelt um. Bonnie starrte immer noch auf den toten Mr. Tanner. Von ihr war keine Hilfe zu erwarten. Plötzlich fiel ihr Blick auf Matt.
Sein blondes Haar war wirr und sein Gesicht rot und verschwitzt. Er schien wütend, doch gleichzeitig auch unsicher zu sein. Elena legte ihre ganze Überzeugungskraft in den Blick.
Bitte, Matt. Du kannst das alles doch nicht glauben. Du weißt, daß es nicht stimmt. Aber an seinen Augen erkannte sie, daß er wirklich nicht wußte, was er glauben sollte. Sie sah ihn eindringlich an, wollte ihn zwingen, sie zu verstehen. Bitte, Matt. Nur du kannst ihn retten. Selbst, wenn du es nicht begreifst, versuch wenigstens, Vertrauen zu haben... bitte...
Matts Gesicht veränderte sich. Die Verwirrung wich fester Entschlossenheit. Er sah Elena noch einen Moment an, dann nickte er, wandte sich um und verschwand in der Menge. Matt bahnte sich ungehindert einen Weg zur anderen Seite der Turnhalle. Einige Schüler der Unterstufe standen neben der Tür zu den Waschräumen der Jungen. Matt befahl ihnen barsch, die umgestürzten Kulissen wieder aufzurichten. Als sie abgelenkt waren, riß er die Tür auf und verschwand nach drinnen. Er traute sich nicht, laut zu rufen und sah sich schnell um. Stefan mußte den Tumult draußen doch mitbekommen haben. Vermutlich war er schon verschwunden. Aber dann entdeckte Matt die schwarzgekleidete Gestalt auf dem weißgekachelten Boden. „Stefan, was ist passiert?“ Einen schrecklichen Moment lang glaubte Matt, vor der zweiten Leiche des Abends zu stehen. Aber als er sich neben Stefan kniete, bewegte dieser sich leicht. „He, ist ja alles gut. Setz dich langsam auf. Bist du in Ordnung, Stefan?“ „Ja“, kam die leise Antwort. Du siehst aber gar nicht so aus, Junge, dachte Matt. Stefans Gesicht war schneeweiß, seine Pupillen riesig erweitert. Er schien nicht zu wissen, wo er sich befand, und wirkte krank. „Danke“, flüsterte er. „Dank mir nicht zu früh“, antwortete Matt trocken. „Stefan, du mußt hier raus. Kannst du sie nicht hören? Sie sind hinter dir her!“ Stefan drehte sich in Richtung Turnhalle, als würde er lauschen. Aber er begriff nicht. „Wer ist hinter mir her? Und warum?“ „Die ganze Meute.
Und warum, ist im Moment egal. Du mußt hier weg, bevor sie dich in die Finger kriegen.“ Als Stefan ihn weiter ungläubig anstarrte, fügte Matt hinzu: „Es hat wieder einen Überfall gegeben. Diesmal war Tanner das Opfer. Er ist tot, Stefan. Und man hält dich für den Mörder.“ Endlich schien es Stefan zu dämmern. Matt erkannte das blanke Entsetzen in seinen Augen. Und eine Art trauriger Selbstaufgabe, die schrecklicher war als alles andere, was er heute abend gesehen
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