Tagebuch Eines Vampirs 01. Im Zwielicht
„Okay, wir lassen die Meute jetzt vom Parkplatz rein. Mach das Licht aus, Ed!“
Plötzlich lag der Raum im Dämmerlicht da, und die Luft war erfüllt von Stöhnen und wahnsinnigem Gelächter. Elena seufzte und drehte sich um. „Halten wir uns besser bereit, die Besucher durchs Spukhaus zu führen“, sagte sie leise zu Bonnie. Bonnie nickte und verschwand in der Dunkelheit. Matt stülpte seinen Werwolfkopf über und schaltete ein Tonband ein, das die ganzen Geräusche mit nervenzerfetzender Musik untermalte. Stefan kam um die Ecke. Seine Kleidung und sein Haar verschmolzen mit der Dunkelheit. Nur sein weißes Hemd war deutlich zu sehen. „Mit Tanner ist alles klar“, sagte er. „Wie kann ich sonst noch helfen?“ „Nun, du könntest mit Matt die Leute begrüßen...“ Elena verstummte. Matt verstellte die Lautstärke an der Tonbandanlage und sah nicht hoch. Elena blickte zu Stefan. Sein Gesicht war angespannt und völlig ausdruckslos. „Oder du könntest in die Garderobe der Jungs gehen und dich um Kaffee und Erfrischungen für die Helfer kümmern“, beendete sie den Satz müde. „Dann mach ich das“, antwortete er. Als er sich abwandte, bemerkte sie ein leichtes Schwanken in seinem Gang. „Stefan! Ist alles in Ordnung?“ „Klar.“ Er riß sich zusammen. „Ich bin nur ein bißchen müde, das ist alles.“ Sie sah ihm nach. Ihr Herz wurde immer schwerer. Dann wandte sie sich an Matt, wollte ihm noch etwas sagen, doch die ersten Besucher waren schon an der Tür. „Die Show kann beginnen!“ rief Matt und kauerte sich in die Schatten. Elena ging mit kritischen Augen von Raum zu Raum. In den Jahren zuvor hatte es ihr immer am meisten Spaß gemacht zuzusehen, wie Spukszenen nachgespielt wurden und die Besucher mit wohligem Gruseln erschraken. Heute jedoch war sie nervös und angespannt. Jemand im Kostüm von Gevatter Tod ging an ihr vorbei, eine dunkle Gestalt, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Elena grübelte, ob sie ihn schon einmal bei einer der Halloween-Partys gesehen hatte.
Etwas an der Art, wie die Gestalt sich bewegte, kam Ihr bekannt vor. Bonnie tauschte ein gequältes Lächeln mit der großen, schlanken Hexe, die den Besucherstrom in den Spinnenraum lenkte. Einige der jüngeren Kids schlugen nach den Gummispinnen, die von der Decke hingen, grölten herum und machten Terror. Bonnie drängte sich rasch in den Druidenraum. Die Deckenstrahler verliehen der ganzen Szene eine unwirkliche Atmosphäre. Bonnie triumphierte innerlich, als sie Mr. Tanner ausgestreckt auf dem Opferstein liegen sah.
Seine Gewänder waren blutdurchtränkt, und sein Blick war starr auf die Decke gerichtet. „Ey, cool!“ schrie einer der Jungen und raste zu dem Altar. Bonnie blieb lächelnd zurück. Sie wartete darauf, daß sich das Blutopfer aufrichtete und dem Typen einen gehörigen Schreck einjagen würde. Aber Mr.
Tanner rührte sich nicht. Er blieb sogar völlig still, als der Junge seine Hand in die blutige Pfütze am Kopf des Opfers tauchte. Das ist komisch, dachte Bonnie und stürzte nach vorn, um zu verhindern, daß der Junge sich das scharfe Opfermesser schnappte. „Finger weg!“ warnte sie ihn. Er hielt statt dessen seine blutbefleckte Hand hoch und streckte ihr die Zunge raus.
Bonnie hatte einen Moment Angst, daß Mr. Tanner warten würde, bis sie sich über ihn beugte, und dann hochfuhr. Aber der Lehrer starrte weiter an die Decke. „Mr. Tanner? Mr.
Tanner, alles in Ordnung? Mr. Tanner?“ Er rührte sich weder noch gab er einen Laut von sich. In den weit aufgerissenen Augen lag kein Lebenszeichen. Faß ihn nicht an, warnte Bonnie plötzlich eine innere Stimme. Faß ihn bloß nicht an... Im Licht der Deckenstrahler sah sie, wie ihre Hand sich unwillkürlich ausstreckte... wie sie nach Mr. Tanners Schulter griff und ihn schüttelte, sah, wie der Kopf schlaff nach hinten kippte. Ihr Blick fiel auf seine Kehle...
Elena hörte die Schreie. Sie waren schrill und lang anhaltend, ganz anders als die übrigen Geräusche im Spukhaus. Elena wußte sofort, daß das kein Scherz war. Danach wurde alles zum Alptraum. Im Druidenraum erwartete sie eine gespenstische Szene, die nicht zum Programm gehörte.
Bonnie schrie. Meredith hielt sie fest. Drei junge Burschen versuchten, durch den Notausgang zu fliehen, zwei der Aufpasser stellten sich ihnen in den Weg.
Mr. Tanner lag ausgestreckt auf dem Altar. Und sein Gesicht...
„Er ist tot!“ schluchzte Bonnie. „Oh, Gott, das Blut ist echt, und er ist tot. Ich
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