Tagebuch Eines Vampirs 01. Im Zwielicht
abwenden würde. Er mußte Elena einfach zeigen, was er war. Während er in den Nachthimmel schaute, über den hin und wieder Blitze zuckten, begann er. Er sprach ohne Emotionen. Erzählte von seinem Vater, einem ehrlichen, zuverlässigen Mann, von dem Leben in Florenz und auf dem Landsitz der Familie. Er berichtete von seinen Studien und Plänen. Von seinem Bruder, der so verschieden von ihm war, und dem Haß zwischen ihnen. „Ich weiß nicht, wann Damon begann, mich zu hassen. So lange ich mich erinnern kann, ist es zwischen uns so gewesen. Vielleicht kam es daher, daß meine Mutter sich von meiner Geburt nie richtig erholt hat.
Sie ist ein paar Jahre später gestorben. Damon hat sie sehr geliebt. Ich hatte immer das Gefühl, daß er mich für ihren Tod verantwortlich machte.“ Er hielt inne und schluckte. „Und dann gab es später ein Mädchen.“
„Das Mädchen, an das ich dich erinnere?“ warf Elena leise ein.
Er nickte. „Das Mädchen...“ Sie zögerte einen Moment. „... das dir den Ring geschenkt hat?“ Stefan blickte auf den Silberring an seinem Finger. Dann schaute er Elena an. Langsam zog er die Kette unter seinem Hemd hervor und betrachtete den kleinen Ring, der daran hing.
„Ja. Das war ihr Ring. Ohne einen solchen Talisman würden wir in der Sonne verbrennen.“ „Dann war sie... wie du?“ „Sie hat mich zu dem gemacht, was ich bin.“ Stockend erzählte er ihr von Katherine. Von ihrer Schönheit und Anmut und seiner großen Liebe zu ihr. Einer Liebe, die auch Damon für Katherine empfand. „Sie war zu zart, von zuviel Zuneigung erfüllt“, sagte er schließlich. Die Worte schienen ihm weh zu tun. „Sie schenkte ihre Liebe jedem. Auch meinem Bruder. Doch am Ende haben wir sie gezwungen, zwischen uns zu wählen. Und dann... kam sie zu mir.“
Die Erinnerung an jene Nacht, jene von bittersüßem Schmerz erfüllte Nacht, kam zurück. Sie war zu ihm gekommen. Und er war so glücklich gewesen. So voller Stolz und Freude. Er wollte Elena das fühlen lassen, bemühte sich, die richtigen Worte zu finden. Die ganze Nacht lang war er glücklich gewesen. Sogar noch am nächsten Morgen, als er aufwachte und sie fort war...
Es hätte alles ein Traum sein können, doch die kleinen Wunden an seinem Hals waren Wirklichkeit. Stefan wunderte sich, daß sie nicht schmerzten und schon halb verheilt zu sein schienen.
Der hohe Kragen seines Hemdes verbarg sie vor neugierigen Blicken.
Ihr Blut brennt jetzt in meinen Adern, dachte er, und schon allein die Worte ließen sein Herz höher schlagen. Sie hatte ihm ihre Stärke geschenkt. Sie hatte ihn gewählt. Er hatte sogar ein Lächeln für Damon, als sie sich an diesem Abend an dem vereinbarten Ort trafen. Damon war den ganzen Tag fort gewesen, doch er war pünktlich in den gepflegten Park der elterlichen Villa gekommen und lehnte jetzt lässig an einem Baum. Katherine verspätete sich.
„Vielleicht ist sie müde“, meinte Stefan und beobachtete, wie sich der Himmel dunkel färbte. Er versuchte, den schüchternen Stolz in seiner Stimme zu verbergen. „Vielleicht braucht sie mehr Ruhe als sonst.“ Damon sah ihn scharf an, seine dunklen Augen schienen ihn zu durchbohren. „Vielleicht...“ Er wollte mehr sagen, doch leichte Schritte näherten sich, und einen Moment später erschien Katherine zwischen den gestutzten Hecken. Sie trug ein weißes Kleid und war schön wie ein Engel.
Sie schenkte jedem der Brüder ein Lächeln. Stefan erwiderte es höflich. Nur mit seinem Blick sprach er von ihrem Geheimnis.
Dann wartete er. „Ihr habt mich gebeten, meine Wahl zu treffen“, begann sie und sah erst ihn, dann seinen Bruder an.
„Und jetzt seid ihr zu der Stunde, die ich festgelegt habe, gekommen: Ich werde euch sagen, wie meine Entscheidung ausgefallen ist.
Sie hielt die Hand hoch, an der sie den Ring trug. Stefan betrachtete den Stein. Ihm fiel auf, daß er tiefblau war wie der Abendhimmel. Es schien, als würde Katherine immer ein Stück der Nacht bei sich haben. „Ihr habt beide schon diesen Ring gesehen“, fuhr sie leise fort. „Und ihr wißt, daß ich ohne ihn sterben würde. Es ist nicht leicht, einen solchen Talisman herstellen zu lassen, zum Glück ist meine Dienerin Gudren schlau. Und es gibt viele Silberschmiede hier in Florenz.“
Stefan hörte die Worte, ohne sie zu verstehen. Aber als sie sich ihm wieder zuwandte, lächelte er ihr aufmunternd zu. „Und deshalb“, sie blickte ihm tief in die Augen, „habe ich ein Geschenk für
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